Der Fall der Zwangsneurose von Mme. N.
Referat zu Rudolph Loewensteins Darstellung einer Zwangsneurose

von B. Reifschneider, gehalten am 3. Juni 1998

Abstract:
In diesem Referat wird der Text "The old woman's touch: Reflections on the treatment of a case of obsessional Neurosis" von Dr. R. Loewenstein aus dem Jahre 1956 vorgestellt. Darin geht es um eine Patientin mit einer schweren Zwangsneurose, die Anfang der Dreißiger Jahre bei ihm in Behandlung war. Seine Arbeit ist eine sehr plastische Darstellung von der Behandlung und auch dem Zustandekommen dieser Erkrankung und ist trotz ihres Alters eine der besten Falldarstellungen, die man über Zwangsneurosen finden kann.
Der Text von Loewenstein ist so gut strukturiert und so gut geschrieben, daß ich im wesentlichen eine Übersetzung des englischen Originals gemacht habe, aber es wird auch ein Text von E. M. Weinshel genauer dargestellt, der zu diesem Fall geschrieben hat.
Egal ob interessierter Laie oder psychologisch geschulter Fachmann, beim genauen Lesen dieser Fallgeschichte erhält man ein gutes Gefühl für die Funktion und die Struktur einer Zwangserkrankung, die sich alleine anhand von abstrakten Symptomkategorien nur schwer vermitteln läßt. Aus heutiger Sicht kann man anmerken, daß sich der beschriebene Fall auch unter dem Gesichtspunkt einer Borderline Persönlichkeitsstörung betrachten ließe.

Dr. Loewensteins Abhandlung
 
   -Einführung und Symptomatik
    -Leben und Leidensweg der Patientin
    -Die Analyse der Zwänge und Neurosen
    -Der Aufbau und die Struktur der Neurosen
    -Die Probleme bei diesem besonderen Fall
Dr. Weinshels Ergänzungen 1982
    -Dr. Loewensteins Ich-Psychologie
    -Die vier Besonderheiten
    -Entwicklungen der Psychoanalyse
    -1. Die Diagnose
    -2. Ödipale vs. prä-ödipale Konflikte
    -3. Das Ziel der Behandlung
    -4. Der Widerstand
    -5. Übertragung und Gegenübertragung
    -6. Das Über-Ich
Literaturliste
Wichtige Bemerkungen!
Dr. Loewensteins Abhandlung

1.) Einführung und Symptomatik:
Rudolph Loewenstein beschreibt einen Fall aus einer Analyse, die über 25 Jahre vor der Veröffentlichung 1956 Anfang der Dreißiger Jahre stattfand. Die Patientin war eine verheiratete Frau Anfang Dreißig, die in ständiger Angst lebte "von der alten Frau berührt zu sein" ("touched by the old woman"). Die Symptome einer schweren Zwangsneurose führten dazu, daß sie jeden Tag ihre Psychoanalytikerin sehen mußte. Dr. Loewenstein wurde nun von dieser ausländischen Kollegin gebeten, sich um diese Patientin in der Zeit ihres Aufenthalts in Paris zu kümmern. Da dies nur eine kurze Zeitspanne sein sollte, akzeptierte Loewenstein seine Rolle, sich passiv und beobachtend um die Frau zu kümmern, da sich die Behandlung weiterhin in den Händen der anderen Analytikerin befand. Jede Sitzung lief so ab, daß die Patientin Mme. N. einen Traum der vorangegangenen Nacht erzählte und zu diesem 'Assoziationen' lieferte.
Ein paar Monate nach der Rückkehr der Patientin fragte die Analytikerin Dr. Loewenstein, ob er nicht die Behandlung ganz übernehmen wolle, da die Patienten keinerlei Fortschritte bei ihr gemacht hatte. In einem Brief zählte die Analytikerin die Details zu diesem Fall auf, die aus einer ausführlichen Liste von sogenannten "Komplexen" der Patientin bestand und so umfangreich war, daß man hätte denken können, die aufgezählten Komplexe würden zu mehreren Patienten gehören und nicht einer einzigen, die spezifischen Probleme der Patientin waren dadurch nicht besonders erhellt.
Jedoch die Schwere der Symptome, besonders jahrelang anhaltende Angstzustände und die endlosen zwanghaften Waschung, die außer der Behandlung keinerlei andere Aktivitäten zuließen, machten eine schnelle Beurteilung des Falles nicht einfach. Daher sagte Dr. Loewenstein zunächst nur zu, für eine Periode von sechs bis acht Monaten die Frau zu analysieren und danach zu entscheiden, ob er sich für fähig empfindet, eine erfolgreiche Behandlung durchzuführen.
Wie schon erwähnt, litt die Patientin an Ängsten und einer zwanghaften Furcht, "die alte Frau berührt zu haben". Dabei ging es nicht um die Angst, von einer realen alten Frau berührt worden zu sein, sondern mit irgendetwas in Kontakt zu kommen, das von der "alten Frau", einer Haushälterin, die vor einigen Jahren einmal bei ihr gearbeitet hatte, berührt worden sein könnte. Es war unbedeutend, ob es sich dabei um einen Mann oder eine junge Frau oder einen Tisch handelte, oder ob das Objekt sehr nah oder mehrere Meter weit weg von der Patientin war. Einzig die Vorstellung, daß diese Haushälterin ein Objekt berührt haben könnte und damit "contaminated" hatte, führte dazu, daß sich die Patientin von allen möglichen Arten von Objekten, einschließlich der Psychiatercouch, isolierte, in dem sie unzählige Schichten von Papiertaschentücher darauf ausbreitete. Jeden Morgen führte sie ein eingespieltes Ritual durch und begann, sich stundenlang mit Wasser und Seife zu waschen, wobei ihr oft die Zwangsvorstellung kam, daß sie irgendwie die alte Frau berührt haben könnte und noch einmal von vorne anfing. Das Resultat war, daß sie nur noch mit weit von ihrem Körper gehaltenen Hände herumlief und jeden Kontakt mit Möbeln in einem Zustand anhaltender panischer Angst vermied.
Ein ständiges Problem war es, neue Kleider zu bekommen. Sie hatte zwar eine große Anzahl von Kleidern, von denen jedes von den anderen durch Papierschichten getrennt war, jedoch war sie unfähig, eines davon zu berühren, da sie "von der alten Frau berührt" worden waren. Sie war also ständig mit der angstmachenden Aufgabe beschäftigt, neue Kleider zu kaufen. Eine bemerkenswerte Ambivalenz war es, daß sie ihre Haare nur ein- oder zweimal im Jahr wusch und auch ihre Unterwäsche monatelang trug, da diese sauber sein müßten, weil sie sich so oft wusch (viele Zwangsneurotiker haben solche offensichtlichen 'blinden Flecke'). Das ganze Leben der Patientin war von der Neurose eingenommen, sie hatte keine Zeit für Erholung oder Berufstätigkeit.

2.) Leben und Leidensweg der Patientin:
Die Patientin Mme. N. war das zweitjüngste von vier Geschwistern einer Kleinstadt-Bürgerfamilie. Während sie von ihren beiden älteren Brüdern ein größerer Altersunterschied trennte, war sie mit ihrer jüngeren Schwester sehr eng verbunden, bei der sie auch zur Zeit der Behandlung in Paris wohnte. Sie selbst war das Lieblingskind ihres autoritären Vaters. Dessen autoritäre Haltung würde sich später bei auftretenden finanziellen Problemen ändern, was nicht unbedeutenden Einfluß auf die Neurose haben sollte.
Die ersten Anzeigen einer Neurose hatte sie im Alter von 16 Jahren, als sie Klavierspielen lernte. Sie war davon so fasziniert, daß sie Musikerin oder Künstlerin werden wollte, was ihr Vater strengstens untersagte, der wünschte, daß sie heiratete und Kinder haben sollte. Daraufhin bekam die Patientin Konzentrationsstörungen, die es ihr verwehrten, weiterhin so gut Klavier zu spielen.
Einige Jahre später sollte sie einen netten jungen Mann heiraten, den ihre Eltern für sie ausgesucht hatten, den Sohn von Familienfreunden. Sie rebellierte gegen diese Entscheidung und weigerte sich, sie anzunehmen. Daraufhin fuhr sie mit ihrer Schwester für ein Wochenende weg, und hatte eine Affäre mit einem Mann, den sie nie zuvor gesehen hatte und nie wieder sehen würde. Diese Episode erzählte sie unter Tränen und Gewissensbissen ihrer Mutter, um ihr zu beweisen, daß sie nun nicht mehr den jungen Mann heiraten könnte. Aber ihr Vater blieb hart und so heiratete sie ihn.
Während ihren Flitterwochen brach ihre Neurose endgültig in der Form von anhaltenden Angstzuständen und Depressionen aus. Sie kam in Behandlung bei Dr. X., der sie mit einer Art "katharsischer" Technik (cathartic technique) ohne großen Erfolg behandelte. Nach zwei Jahren, in denen auch ihr Mann von der vorehelichen Affäre ohne größeren Groll erfuhr, wurde die Behandlung beendet. Weitere zwei Jahre kümmerte sich ein Dr. Y. um sie, der die Behandlung ohne weitere Ratschläge und Hilfsangebote abbrach, nachdem die Patientin Selbstmordgedanken zu äußern begann. Ihre Angstzustände wurden schlimmer und sie ging zu Dr. Z., bei der sie elf Jahre in Behandlung sein sollte. Von ihr übernahm danach Dr. Loewenstein den Fall. Die ersten fünf Jahre bei Dr. Z. zeigte Mme. N. verschiedene Angstzustände, Depressionen und Phobien. Darunter war die Furcht, eine Straße oder einen Platz zu betreten, dessen Name eine Andeutung auf Rost oder Rot beinhaltete. In der Analyse kam heraus, das diese Farbe in dem Name des Mannes enthalten war, mit dem sie ihre Affäre gehabt hatte.
Nach fünf Jahren verschlimmerte sich ihr Zustand und nahm die vorweg beschriebene Form an. Unmittelbar davor waren entscheidende Ereignisse in dem Leben der Patientin passiert. Ihr Vater verlor in geschäftlichen Schwierigkeiten sein gesamtes Vermögen, woraufhin die ganze Familie in finanzielle Nöte kam. Mme. N.'s Vater erlaubte daher in dieser Situation, daß die jüngere Schwester den Mann heiraten konnte, den sie liebte, einen Künstler ohne Geld oder Position. Dies hatte einen tiefschürfenden Effekt auf die Patientin. Und während sich die finanzielle Lage weiter zuspitzte, erbte ihr eigener Ehemann ein Vermögen von seinem Vater. Dadurch war die Patientin die einzige ihrer Familie, die keine Geldprobleme hatte, ein Zustand, der sie sehr bedrückte. Und ihre Demütigung war komplett, als ihr Vater, den sie immer geliebt und gefürchtet hatte, sich bei ihrem Ehemann Geld lieh und es später nicht zurückzahlen konnte. Ihr Zustand verschlechterte sich schlagartig, nachdem sie für kurze Zeit eine Haushälterin einstellte, die sie fürchtete und haßte. Diese blieb nur für vier Wochen bei der Familie, aber der psychische Schaden war geschehen, sie sollte von nun an von der Zwangsneurose besessen sein. Die Haushälterin wurde die "alte Frau", die die Patientin in deren Vorstellung verfolgte. Sie konnte es nicht mehr ertragen, irgendwelche Gegenstände zu berühren, die "die alte Frau" angefaßt hatte. Sie hatte selbst Probleme, mit ihrem Ehemann im selben Bett zu schlafen, der mit Schichten von Papiertaschentüchern von ihr getrennt wurde, woraufhin der Geschlechtsverkehr zwischen beiden weniger häufig wurde als bisher. Ihre Ängste wurden unerträglich, und um jede Spur von einem Kontakt von der alten Frau zu beseitigen, begannen die täglichen Waschrituale. Dieser Zustand sollte die nächsten sechs Jahre weitergehen, ohne daß Dr. Z. eine Chance sah, ihn zu verbessern, und sie der Patientin mehrfach riet, sich an einen anderen Doktor zu wenden, was diese ablehnte. Dr. Z. und Mr. N. schlossen daraufhin im Geheimen die Übereinkunft, daß Dr. Z. kein Honorar ab da an (für sechs Jahre!) verlangen würde.

3.) Die Analyse der Zwänge und Neurosen:
Das Verhalten der Patientin in der Analyse folgte, wie schon erwähnt, einem regelmäßigen Muster. Sie vermied jeden Kontakt zu den Möbeln und deckte die Couch mit Taschentüchern zu und legte sich darauf. Daraufhin flehte sie Dr. Loewenstein unter Tränen an, daß er ihr versichere, daß sie nicht "von der alten Frau berührt" worden sei. Danach erzählte sie einen Traum und begann dazu Assoziationen zu sammeln. Diese Assoziationen waren Phantasien von symbolischen Interpretationen einzelner Traumsymbole, und waren mit kleinen Ausschnitten aus ihrem Leben verbunden. Es war für Dr. Loewenstein offensichtlich, daß die Patientin ein eingefahrenes Muster aus ihrer früheren Analyse bei ihm auf diese Weise fortsetzte. Als er nach einigen Wochen eine Interpretation eines Traumes lieferte, war Mme. N. indirekt anscheinend sehr beeindruckt, so daß sie am nächsten Tag einen neuen Traum mit neuen Assoziationen lieferte, was den Analytiker sehr zufriedenstellte. Ein paar Wochen später passierte dasselbe noch einmal, und die Zufriedenheit des Analytiker wich einer Unsicherheit. Denn es war seltsam, daß die Interpretationen so schnell Bestätigung fanden, ohne daß irgendeine Form von Widerstand im Patienten sichtbar war, gerade bei einem so schwerwiegenden Fall. Etwas später geschah dies ein drittes Mal, ohne daß sich irgendeine Veränderung zeigte, so daß sich Dr. Loewenstein sicher war, auf der falschen Fährte zu sein. Die eigentlichen Interpretationen waren mehr oder weniger irrelevant. Es wurde ihm klar, daß die ganze Behandlung, die einzelnen Sitzungen, ihre Assoziationen und seine Interpretationen eine Art magisches Ritual waren, das vollständig ein Teil der Zwangsneurose war und damit jeden Hauch von psychoanalytischer Heilungschance verloren hatte.
Die Patientin hatte eine Eigenart, die den ersten Hinweis auf die Lösung des Rätsels lieferte. Am Ende jeder Sitzung bestand sie darauf, daß der Analytiker ihr die letzte Interpretationen noch ein paar Mal wiederholte, weil sie ein Wort nicht richtig verstanden hatte oder die Bedeutung oder den genauen Wortlaut. Sie behauptete, daß sie sich haargenau erinnern müßte, damit sie ihre Zweifel und Ängste bis zur nächsten Sitzung aushalten könne. Dr. Loewenstein erinnerte sich daran, wie Freud im Fall des "Rattenmannes" diesen Typ von zwanghaften Zweifeln interpretiert hatte: als einen unbewußten Ausdruck von Mißtrauen am Gesprächspartner, eine Art sich-lustig-machendem Zweifeln. Viel später erst kam Dr. Loewenstein darauf, daß dahinter eine unbewußte Ablehnung gegenüber ihrer letzten Analytikerin Dr. Z. stecken könnte, wobei sie ja gute Gründe hatte, deren Interpretationen und Ratschläge zu verlachen. Als er ihr sehr vorsichtig diese Lesart unterbreitete, wurde die Patientin von ungeheurer Panik erfaßt, welche er als Bestätigung einstufte und als Hinweis sah, noch vorsichtiger vorzugehen. Er hielt sich in Zukunft strenger an die Abstinenzregel und wiederholte seine Interpretationen am Ende nicht mehr so häufig. Er wiederholte sie nur noch fünf- anstatt sechsmal, danach vier- anstatt fünfmal und so weiter. Es war sehr schwer für die Patientin, diese Frustration zu ertragen.
Damit war der erste Schlüssel gefunden, um ihr Ritual fortführend aufzubrechen, durch Deprivation, also Enttäuschung der Erwartungen. Die ersten wirklich zutreffenden Interpretationen von ihren Zwangshandlungen hatten ähnliche Resultate. Auf ihrem Weg zu Dr. Loewenstein mußte die Patientin an einem Feinkostladen vorbeigehen, wobei sie oft versucht war, in den Laden zu gehen und Süßigkeiten für sich und ihre Mutter zu kaufen. Als sie eines Tages tatsächlich soviel Mut hatte, in den Laden zu gehen, kam ihr jemand aus der Tür entgegen. Sie wurde von der horrormäßigen Zwangsvorstellung erfaßt, daß es die alte Frau gewesen war und schreckte zurück. Dr. Loewenstein interpretierte diese Sache ganz einfach, nämlich daß sie ihrer Mutter keine Süßigkeiten kaufen wollte. Mme. N. akzeptierte dies nicht, aber es zeigte sich, daß sie nach und nach fähig wurde, auch feindliche Gedanken zu ihrer Familie und ihren Analytikern auszudrücken. Bei einem ähnlichen Angstanfall bei einem Einkauf summte sie nach verlassen des Ladens ein alte Kindermelodie vor sich hin, etwa "ich habe guten Tabak in meiner Tasche..... du sollst davon nichts haben". Dr. Loewenstein interpretierte also folgendermaßen: Mme. N. war das einzige wohlhabende Mitglied ihrer Familie und wollte ihr Geld für ein neues Kleid oder Süßigkeiten ausgeben, aber die alte Frau, ihre Mutter und ihre Schwester, wollten es ihr wegnehmen. Sie wurde also von Schuld und Angst überfallen und verzichtete darauf, weil sie mit ihrer Schwester und ihrer Mutter teilen sollte, aber dies nicht wollte, und zu viele Schuldgefühle hatte, alleine zu genießen.
Nun ging Dr. Loewenstein darauf ein, wie er in den dreieinhalb Jahren der Behandlung von Mme. N. rekonstruiert, wie es in der Mitte der Analyse bei Dr. Z. dazu kam, daß diese Form von Zwangsneurose auftauchte.
Nach dem Tod ihres Schwiegervaters zog ihre Schwiegermutter zu ihnen, sie mochte diese zwar nicht, aber zeigte dies nicht, weil sie viel Zeit mit der alten Dame verbringen mußte. Kurz vorher war ihre eigene Familie in den finanziellen Ruin geraten und ihr Vater hatte ihrer jüngeren Schwester eine Liebesheirat gestattet. Bei der Erbschaft riet ihr Dr. Z., einen Anwalt hinzuzuziehen, was den Anteil an dem Erbe um einiges erhöhte.
Mme. N., die nie ein erfülltes Sexualleben in ihrer Ehe hatte, spielte immer mit dem Gedanken, sich einen Liebhaber zuzulegen, aber Gefühle der Schuld hinderten sie. Sie dachte immer, daß ein erfülltes Liebesleben all ihre Krankheiten heilen könnte, und umgab sich mit jungen, lebensfrohen und attraktiven Hausmädchen, deren Liebesaffären sie sich ausmalte. Die alte Frau, häßlich und sittenstreng, war die erste ältere Haushälterin, die sie angestellt hatte. Sie wollte dieses alte Hausmädchen sofort wieder feuern, doch Dr. Z. riet ihr, sie zu behalten. Nach einigen Wochen wurde Mme. N. von den schrecklichen Angstanfällen heimgesucht, so daß ihr Mann der alten Frau kündigen mußte. Damit hatte sich Mme. N. dem Ratschlag ihrer Analytikerin mit Hilfe ihrer Neurose widersetzt.
Zu der selben Zeit, als die Patientin kurz davor war, eine Affäre zu einem jungen Mann anzufangen, riet ihr Dr. Z. ausdrücklich davon ab. Die Patientin tat so, aber klagte, daß sie es ihr Leben lang bedauern werde, diesen Mann aufgegeben zu haben, woraufhin ihr Dr. Z. vorschlug, einfach zu denken, daß sie sich dabei eine Geschlechtskrankheit geholt hätte. Damit war die Erklärung für die zwanghaften Waschungen und der Vorstellung gefunden, von der alten Frau kontaminiert zu werden. Aber es war kein Mann, vor dem sie Angst hatte, sondern eine *alte* Frau, die in Wirklichkeit ein Substitut ihrer Analytikerin darstellte. All ihr Ärger und Mißtrauen gegenüber der Analytikerin und ihrer Ratschläge war auf die alte Haushälterin verschoben worden und hielt die Beziehung zu Dr. Z. anscheinend konfliktfrei. Anscheinend deshalb, denn die Patientin rächte sich unbewußt, in dem sie die Analyse zu einem Schauspiel machte und die Analytikerin mit ihrer unheilbaren Präsenz belastete.

4.) Der Aufbau und die Struktur der Neurosen:
Die ersten fünf Jahre der Analyse bei Dr. Z. beschäftigten sich mit den hysterischen Ängsten (oft um die Farbe Rot), die mit ihren sexuellen Wünschen einerseits, und anderseits mit ihrer Abhängigkeit und ihrem Gehorsam gegenüber ihrem Vater zusammenhingen. Ihre Symptome repräsentierten Schuldgefühle wegen ihrer kurzen Eskapade und die ständige Bemühung, sexuellen Versuchungen zu widerstehen und untreu gegenüber ihrem Ehemann und damit ihrem Vater zu sein. Aber nach der Geschichte mit der alten Haushälterin zeigte sich ein ganz anderes Bild. Die Ängste waren nicht mehr die Furcht vor dem sexuellem Kontakt mit einem Mann, sondern vor dem Kontakt einer Frau und einer schrecklichen Verschmutzung oder Verseuchung. Die Berührungen ("touches") bedeuteten zweierlei dabei, einmal einen bösartigen Kontakt oder Angriff, und zum zweiten die Beziehung zu Geld. Ihre zwanghaften Ängste bedeuten, wie schon erwähnt, daß es für sie unmöglich war, mit Befriedigung Geld auszugeben. So war der sekundäre Krankheitsgewinn damit verbunden, daß sie es ihrer Mutter und ihrer Schwester ebenfalls verwehrte, etwas von ihrem Reichtum zu haben. Zum Beispiel versprach sie ihrer Schwester oft, daß sie ihre alten Kleider haben könnte, jedoch hinderte sie "die alte Frau" davor, dieses Geschenk zu machen. Sie hatte dabei folgende Argumentation: "Wenn ich diese Kleider meiner Schwester gebe, wird sie von der Berührung der alten Frau verschmutzt werden, sie wird selber die alte Frau werden." Dies interpretierte Dr. Loewenstein in der Analyse folgendermaßen: "Wenn ich ihr meine Kleider gebe, wird sie nicht nur den Mann haben, den sie liebt, sondern auch schöne Kleider, um ihn zu entzücken; ich würde sie so sehr hassen, daß ich mich davor fürchte, was sie mir dafür antun würde." Ihre Neurose fügte also der Schwester Leid zu, indem diese nicht hübsch und attraktiv aussehen konnte, und sie fügte auch Mme. N. Leid zu, denn sie litt ja unter den furchtbaren Ängsten. Der alte Konflikt um sexuelle Versuchung war demnach regrediert zu einem Konflikt um Geld, Aggression und Verweigerung. Die frühere neurotische Phobie hatte sich mit Konflikten aus der ödipalen phallischen Phase beschäftigt, und hatte nun eine Regression erfahren und war zu einem Konflikt der prä-ödipalen analen Phase geworden, einer Zwangsneurose.
Die Stärke der aggressiven Tendenzen in der zwanghaften Phase konnte man daran messen, wie stark ihre Unfähigkeit war, diese Impulse in sich zu tolerieren. Als Dr. Loewenstein die erste Andeutung gemacht hatte, daß sie aggressive Affekte haben könnte, verursachte diese Interpretation unglaubliche Angst- und Schuldgefühle, die nur schwer zu ertragen waren.
Von ihrer Pubertät an hatte ihr Vater die Idee einer Liebesheirat bekämpft und darauf bestanden, daß sie eine arrangierte Hochzeit hatte, mit der sie finanziell abgesichert war. Durch ihr inniges Verhältnis zu ihrem Vater war es ihr unmöglich, dessen Willen offen nicht zu befolgen. Die Angstneurose (in den ersten fünf Jahren) war ein unbewußtes Aufbegehren gegen ihren Vater und eine Rache, für die sie mit ihren Angstzuständen und Schuldgefühlen bitter bezahlte. Als ihr geliebter Vater, dem sie praktisch ihr Liebesleben geopfert hatte, dann in finanzielle Bedrängnis geriet, übte er Verrat an ihr, in dem er der jüngeren Tochter erlaubte, den Mann zu heiraten, den sie liebte. Alles, was noch passierte, war ein Zurücktreten von Liebe vor Geld. Sie mußte die Gesellschaft ihrer alten Schwiegermutter anstatt eines Liebhabers ertragen, Dr. Z. half ihr mit dem Rechtsanwalt bei der Erbschaft und bestand zur gleichen Zeit darauf, daß sie sich keinen Lover holte und ihn statt dessen schlecht machte (mit der Furcht der Geschlechtskrankheit), und außerdem wollte sie, daß sie die alte häßliche Haushälterin behielt. Wie gegen ihren Vater rebellierte die Patientin auf eine unbewußte Weise mit der Entwicklung einer Neurose, diesmal einer Zwangsneurose.
Die Frage wäre nun, inwieweit der Vorschlag, daß sich Mme. N. vorstellen sollte, eine Geschlechtskrankheit bekommen zu haben, Einfluß auf die Angst der Patientin vor den "Berührungen" hatte. Dr. Loewenstein sagt dazu, daß man viele Fälle kennt, in denen die Angst vor einer Geschlechtskrankheit ein Teil einer solchen Pathologie ist, jedoch lassen sich nicht alle Fälle auf einen solchen Ursprung zurückführen, und oft nur als eine rationale Begründung von noch tiefer liegenden Ängsten. Die Angst, berührt worden zu sein, hat dagegen enorm komplexe Konnotationen. Der Kontakt mit einer Hand kann die ganze Bandbreite von menschlichen Verhalten abdeckten, von Liebe bis Aggression. In Mme. N. Fall war diese Zwangsvorstellung mit Bedeutungen überladen. Die Zwangsvorstellung war, daß die "alte Frau" Macht über sie ausübte und sie daran hinderte, eine attraktive Frau zu sein. In anderen Momenten bedeutete "Berührung", Geld anzufassen, und verhinderte, daß sie ihr Geld ausgab und davon profitierte, die "alte Frau" wollte also ihr Geld berühren und es ihr wegnehmen. Dagegen spielte eine andere mögliche Bedeutung, Masturbation, nur eine untergeordnete Rolle. Die unbewußte Antwort der Patientin auf den Ratschlag von Dr. Z. betreffs des Liebhabers sah Dr. Loewenstein so: "Du willst, daß ich mein Leben als Frau aufgebe und mich selbst anlüge, daß der Mann, den ich liebe, mich verschmutzt haben könnte; zur gleichen Zeit willst du, daß ich mich einer schrecklichen, alten, häßlichen Frau unterordne, wie du selber eine bist; ich könnte mir genausogut vorstellen, daß du diejenige bist, die alles, was ich besitze, beschmutzt und schlecht macht, du 'altes Weib'. Du willst also, daß ich mir Verschmutzungen vorstelle? Na gut, ich denke mir einige aus. Wenn das die Hilfe sein soll, die du mir geben kannst, damit es mir besser geht, brauchst du nur zu warten und dir das Ergebnis anzusehen."
Dr. Z. Ratschlag alleine mag nicht ausreichend gewesen sein, die Form der Neurose der Patientin zu bestimmen, war jedoch ein wichtiger Faktor darin.

5.) Die Probleme bei diesem besonderen Fall:
Wie man gesehen hatte, war das Verhalten der Patientin zunächst, in jeder Sitzung einen Traum zu erzählen und dazu Assoziationen zu finden. Dieses Verhalten war nach Loewenstein eine besondere Art von Widerstand, da sie auf klassische Interpretationen keinerlei Widerstand zu haben schien. Die Assoziationen waren vielmehr darauf ausgerichtet und intendiert, zu einer klassischen Interpretation zu führen, der ganze Vorgang, inklusive des Psychoanalytikers, war jedoch eine hochspezialisierte Form von Abwehr. Die Assoziationen hingen meist mit Dingen aus der Kindheit der Patientin zusammen, und die klassische Interpretation würde ebenfalls nicht mit der Gegenwart oder der näheren Vergangenheit zu tun haben, sondern sich auch auf diese entfernte Periode fixieren. Es war nach dieser Interpretationsweise so gut wie unmöglich zu sagen, warum dieser bestimmte Traum in dieser bestimmten Nacht geträumt worden war. Aber gerade dahinter liegt der Schlüssel, die wahre Bedeutung eines Traumes zu erkennen. All das war am Anfang der Analyse bei Dr. Loewenstein nicht der Fall, erst als er herausfand, daß die ganze Behandlung zu den Abwehr-Ritualen gehörte, begann er zu erahnen, daß die Patientin damit ihr Mißtrauen in ihre Analytiker zum Ausdruck brachte. Sie hatte ja, wie wir gesehen haben, tatsächlich wenig Grund, in ihre Therapeuten zu vertrauen. Dr. Loewenstein weiß nicht, ob Dr. Z. der Patientin noch andere Ratschläge als die oben genannten gab, aber schon bei diesen drei gibt es eine Gemeinsamkeit, nämlich daß Geld über Liebe gestellt wurde. Die Analytikerin urteilte gegen ein erfülltes Liebesleben der Patientin und verstärkte damit deren Aggressionen zusätzlich. Besondere Wichtigkeit hatte dabei der Ratschlag, einem Liebhaber zu entsagen und sich einzureden, daß dieser sie verschmutzt oder krankgemacht hätte. Es war, wie als ob Dr. Z. von der Patientin verlangt hätte, sich selbst anzulügen. Die Patientin, von der in der Analyse absolute Offenheit und Ehrlichkeit gefragt ist, wird diese niemals einer Analytikerin geben, die fordert, so etwas zu tun, also war die ganze analytische Prozedur ab absurdum geführt.
Auch der ständige Wunsch, die Analytikerin solle beteuern, daß die Patientin nicht von der "alten Frau" berührt worden war oder diese Berührung bei einem anstehenden Kleiderkauf drohte, manövrierte die Psychoanalyse in ein magisches Ritual, mit dem die zwanghaften Ängste gebannt werden sollten. Dr. Loewenstein dagegen wich diesen Forderungen aus und gab der Patientin den Ratschlag, sich so zu verhalten, wie sie tun würde, wenn sie geheilt wäre. Dieser Ratschlag geht zurück auf Freud, der bei phobischen Patienten rät, wenn die Analyse weit genug fortgeschritten ist, diese mit dem Gegenstand der Phobie nach und nach selbst zu konfrontieren.
Auch auf andere Weise versuchte Mme. N. den Analytiker zur Komplizenschaft und Mitschuld zu gewinnen, um einen sekundären Krankheitsgewinn zu erlangen. Sie fragte eines Tages, ob er ihr nicht einen Brief für ihren Mann schreiben könne, in dem er rät, Mme. N. mehr Geld zu geben, damit sie mit dem Taxi zur Analyse kommen könne und auf diese Weise die "Berührung der alten Frau" umgehen könne. Dr. Loewenstein lehnte dies kategorisch ab und machte ihr klar, daß mit dem Taxi kommen oder nicht, keinen Einfluß auf den Fortschritt der Behandlung haben würde. Von da an machte ihre Analyse große Fortschritte. Ein anderes Mal begann sie plötzlich, obwohl sie offensichtlich in keiner echten Bedrohung war, Selbstmordgedanken zu erzählen. Der Analytiker sagte ihr, daß er nicht wie Dr. X. die Behandlung abbrechen würde, und die Selbstmordvorstellungen verschwanden und kehrten niemals wieder.
Einer ihrer größten Fehler war, meint Dr. Loewenstein, daß sich Dr. Z. ausschließlich auf die Analyse der fernen Kindheit der Patientin beschränkt hat. Diese Interpretationen hingen damit praktisch in der Luft und hatten keine Beziehung zum späteren Leben der Patientin. Die Patientin reagierte auf diese Interpretationen wie als ob sie sie nicht betreffen würden, mit anderen Worten, sie reagierte überhaupt nicht darauf. Mit diesem Mechanismus folgte sie einem Muster, das sie gegenüber ihrem Vater zu der Zeit ihrer Heirat aufgebaut hatte, nach außen hin Zustimmung und Unterordnung, während innen verbissener Widerstand herrschte.
Den Aspekt der Übertragung berücksichtige Dr. Z. so gut wie gar nicht bei ihren Interpretationen zur Kindheit der Patientin, so kam ihr anscheinend nie der Gedanke, selbst die "alten Frau" zu sein. Die ambivalenten Übertragungsreaktionen spielen ja bei allen Analysen eine wichtige Rolle, und Dr. Loewenstein war froh darüber, daß es ihm gelang, diese im Gegensatz zu Dr. Z. noch rechtzeitig zu analysiert zu haben. Daß diese sich darauf beschränkt hatte, in der frühen Kindheit die Ursache für die Neurose zu suchen, war ein häufiger Fehler in der frühen Psychoanalyse. Es ist tatsächlich viel wichtiger zu schauen, welche von den frühen Triebkonflikten in die Gegenwart transportiert werden und welchen Wandel ein ursprünglicher Konflikt an dem Ich und dem Über-Ich genommen hat. Freud verwendete folgende Metapher: Wenn ein Gebäude von einem Feuer beschädigt wird, breiten sich die Flammen manchmal auf Teile aus, die ursprünglich nicht betroffen waren. Später dann, nach dem Feuer, können die entstandenen Schäden an der Quelle viel unbedeutender sein als in abgelegenen Teilen, und so ist es auch in der Analyse notwendig, die Schäden von den späteren Feuern zuerst zu reparieren.
In Mme. N.'s Fall war der Hauptkonflikt eine zwanghafte Neurose, die erst relativ spät in der Behandlung bei Dr. Z. entstanden war. Es mußte erst dieser Konflikt behandelt werden und dann konnte durch ihn an den Ursprung in der frühen Kindheit gelangt werden. Es war Dr. Loewenstein nicht möglich, sich in der verhältnismäßig kurzen Behandlungszeit mit diesen Konflikten auseinanderzusetzen und an sie heranzukommen. Die einzigen Interpretationen, die Wirkung zeigten, waren solche, die sowohl ihre Ich-Reaktionen berücksichtigten, als auch ihre aggressiven und libidinösen Triebe. Als eine generelle Regel hält Dr. Loewenstein fest, daß Interpretationen nur dann effektiv sind, wenn sie konkret und persönlich sind und auf den individuellen Fall zutreffen.
In letzter Zeit, also damals 1956, ist ein solcher Widerstand wie bei Mme. N. häufiger beobachtet worden, d. h. Patienten, die psychoanalytisches Fachjargon verwenden, um sich auszudrücken. Dabei macht das Unbewußte sich diese Begriffe zu eigen, um damit die wirklichen psychischen Erfahrungen zu verkleiden. Häufig ist es nicht einfach, solch einen paradoxen intellektualisierten Widerstand zu überwinden, denn wie auch in der Fachliteratur werden Begriffe in einem allgemeinen Zusammenhang verwendet, ohne zu schauen, was z. B. der Ödipus-Komplex in einem speziellen Fall eigentlich ist und was die individuellen Konflikte sind. Wenn ein Patient also analytische Begriffe verwendet, soll der Analytiker doppelt wachsam sein und diese Beschreibungen in eine nicht-technische Sprache umwandeln, die klar mit den geäußerten Affekten und Gedanken des Patienten einhergehen. Als eine Illustration schreibt Dr. Loewenstein, wie die Patientin gelegentlich auf dem Weg von der U-Bahnstation zum Apartment ihrer Schwester ein Taxi nahm, und dabei manchmal von der schrecklichen Angst überfallen wurde, "auf der alten Frau zu sitzen". Sie assoziierte dazu unweigerlich die Erinnerung an ein sexuell angehauchtes Spiel mit ihrer Schwester, wie sie sich abwechselnd auf dem Schoß saßen. Sie erzählte diese Erinnerung öfters, ohne daß sie von Schuldgefühlen tangiert wurde, und ohne daß die Furcht oder die Heftigkeit des Zwangsgedanken weniger wurde. Daher mußte die Episode nicht mit dem Zwang verbunden sein, sondern waren Deckerinnerungen. Dr. Loewenstein forderte von der Patientin, noch mehr Einzelheiten zu der kürzlich erlittenen Situation zu erinnern, dabei kamen weitere Details zum Vorschein. Der Anblick eines Bettlers, dem sie kein Geld gab, oder eine alte Zeitungshändlerin, die sie beim Einsteigen in das Taxi beobachtete, waren Auslöser für Hassgefühle gegenüber der Mutter, die auch im Apartment der Schwester lebte. Der unterdrückte Gedanke war so etwas wie "ich *setze* mich über sie hinweg und es tut mir nicht leid, mir die Extravaganz eines Taxis zu leisten." Dieser Gedanke war mit so starken Schuldgefühlen verbunden, daß sie sich sofort selbst bestrafte und auf "die alte Frau" setzte, die sie so sehr fürchtete. Von da führte der Weg zu der Erinnerung mit den sexuellen Spielen mit der Schwester, die tatsächlich verkleidete Phantasien von sexuellem Kontakt zwischen dem Vater oder der Mutter und dem Kind auf dem Schoß waren. Diese Phantasien waren total unterdrückt und es erfüllte die Patientin mit Horror, wenn sie diese in der Analyse äußerte. Außerdem steckte auch eine alte Eifersucht auf ihre jüngere Schwester darin, die verdrängt worden war. Es dauerte lange, und der Konflikt mußte immer wieder durchgearbeitet werden, bis das Symptom schließlich endgültig verschwand.
Der Fall von Mme. N. fand Anfang der Dreißiger Jahre statt, und seit dem bis zum Erscheinen des Aufsatzes 1956 hat die Psychoanalyse große Fortschritte in der Ich-Psychologie gemacht, die vielleicht einiges anders in seiner Analyse gemacht hätte. Und trotzdem verteidigt Dr. Loewenstein seine strenge Beachtung der Abstinenzregel, denn es war der einzige Weg, den Widerstand, der sich die psychoanalytische Prozedur zu eigen gemacht hatte, aufzulösen. In einem solchen Fall muß man dem Patienten auch viel Zeit zugestehen und eine lehrbuchartige Analyse aus Respekt vor dem Patienten durchführen, damit es ihm möglich wird, die abgewehrten Triebe zuzulassen und daraus Einsicht zu gewinnen.
Dr. Loewenstein behandelte Mme. N. dreieinhalb Jahre lang, und am Ende dieser Zeit hatte sie eine merkliche Verbesserung erfahren. Es war ihr möglich, sich normal zu waschen und anzuziehen. Ihre Angstanfälle und Zwänge kamen immer weniger häufig vor und waren tolerierbar. Am Ende dieser Zeit bekam sie einen Brief von ihrem Mann, der ihr mitteilte, daß er sich von ihr scheiden lassen wolle, um seine Geliebte heiraten zu können. Dr. Loewenstein riet ihr, daß sie in ihr Land zurückkehren solle, was sie für acht Monate tat, bis die Scheidung vollzogen war. Mme. N. war besonders erschrocken über die Feindseligkeit ihrer Tochter, die sich vehement gegen sie stellte. In diesen acht Monaten hatte sie keine psychiatrische Hilfe, und als sie danach wieder nach Paris zurückkehrte, schien ihre Verbesserung gefestigt zu sein. Dr. Loewenstein sah sie einige Zeit später mit ihrer Tochter wieder, mit der sie sich besser verstand. Mme. N. lebte nun ein normales, allerdings einsames und nicht besonders glückliches Leben und dachte daran, wieder in ihr Land zurückzukehren. Ihre Ängste schienen fast vollständig verschwunden zu sein. Dann allerdings brach der 2. Weltkrieg aus und Dr. Loewenstein verlor den Kontakt zu Mme. N.


Dr. Weinshels Ergänzungen 1982

1.) Dr. Loewensteins Ich-Psychologie:
Weinshel begreift Dr. Loewensteins Falldarstellung als einen wichtigen Text, an dem die Bedeutung der Ich-Psychologie in Loewensteins Werk betrachtet werden kann. Loewenstein setzt seinen Schwerpunkt in der Behandlung auf Ich-Psychologie, wobei er diese als Analyse des Widerstandes des Patienten betrachtet. Dennoch wendet er sich nicht ab von der Vorstellung Freuds, der vor allem die Kindheitskonflikte, -traumatas und -phantasien analysiert haben will, sondern spricht von einer Verlagerung des Schwerpunkts, bei dem er trotzdem die Freudsche Auffassung für richtig hält, aber für Behandlungszwecke und -erfolge eine andere Herangehensweise nimmt.
Auch die Art der psychoanalytischen Behandlungsweise, des psychoanalytischen Settings, ist nach wie vor korrekt, die Schwerpunktverlagerung, bzw. Erweiterung, der Psychoanalyse sieht Dr. Loewenstein auf drei Gebieten: Erstens, daß nicht nur die Konflikte und Ereignisse der frühsten Kindheit, sondern auch die des späteren Lebens bis hin zur Gegenwart des Patienten betrachtet werden; zweistens, daß sich viel ausgeprägter und entschlossener mit dem Widerstand und anderen Ich-Produktionen des Patienten beschäftigt wird; und drittens wird höhere Aufmerksamkeit auf das autonome Ich des Patienten gelegt, dessen Funktionen und die Rolle, die es in Konfliktsituationen spielt, besonders welche Entscheidungen es trifft, im Hinblick auf Belohnung und Abwehr.
Mit diesen vorangestellten Auffassungen von Dr. Loewenstein wagt sich Dr. Weinshel nun an die Falldarstellung von Mme. N. heran, und möchte dabei weniger ein Supervisor sein, sondern mehr ein Forscher, der sich für die historischen, theoretischen und praktischen Entwicklungen der Psychoanalyse beschäftigt. Er möchte Veränderungen im psychoanalytischen Denken und Arbeiten anhand der Fallgeschichte und den folgenden Jahrzehnten der Psychoanalyse aufzeigen.

2.) Die vier Besonderheiten:
Weinshel sieht seiner Meinung nach vier Besonderheiten in Dr. Loewensteins Bericht über Mme. N., die er genauer beleuchten will.
Die Krankengeschichte von der Patientin ist voller Verrat von seiten ihrer Therapeuten Dr. X., Y. und Z.. Unerheblich ist dabei, ob Dr. Loewenstein noch andere Quellen als die Aussagen von Mme. N. hatte und ob ihre Einschätzungen tatsächlich so stimmen. Entscheidend ist die subjektive psychische Realität der Patientin. Auch scheint bemerkenswert, daß der Ehemann von Mme. N. die Behandlung mit Dr. Loewenstein ausmacht. Verrate sind auch durch seiten der Eltern der Patientin zu finden, Weinshel meint aber, daß die Patientin selbst Einfluß auf diese Entwicklungen hatte, besonders durch ihr Beitragen und ihre Mithilfe, so war dies nicht nur ein Teil ihres Charakters, sondern fand sich auch in der Form der Neurose wieder. Was auch immer für Verhaltensweisen oder Charakterzüge der Patientin diese Verrate provozierten, es war eines von ihren grundlegenden Widerstandsmustern, um Psychoanalyse abzuwehren. Aber trotz des Herausforderns oder Hinzutuns der Patientin ist das Verhalten der Analytiker auf keinen Fall gerechtfertigt.
Das Muster der 'boshaften Einwilligung' der Patientin, also ihr nach außen hin sichtbares Hinnehmen, Unterordnen und Befolgen, aber innerlich Widerstand leisten, stellt auch schon nach Dr. Loewensteins Erkenntnis eine zentrale und ernstzunehmende Form des Widerstands dar und ist der zweite bemerkenswerte Punkt. Dr. Weinshel vermutet, daß auch dies ein grundlegender Charakterzug der Patientin ist, und daß dieses Muster auch schon in ihrem Leben vor den Analysen aufgetaucht sein muß.
Die Patientin machte auch aktive Anstrengungen, die analytischen Sitzungen zu beeinflussen und zu kontrollieren, zum Beispiel durch ihre Forderung nach mehrmaligem Wiederholen der Interpretationen oder durch das Abdecken der Couch mit Papiertaschentüchern. Dieses Verhalten stellt nicht nur ein Entladen von Aggressionen dar, sondern wirkt auch als effektiver Widerstand. Weinshel vermutet wiederum, wenn auch unter Vorbehalten, daß dieses Bemühen nach Kontrolle und Manipulation seine Wurzel in der Charakterstruktur hat.
Die vierte Besonderheit stellt ein Zusatz zum ersten dar, es ist die Aura von Moralität, die die gesamte Fallgeschichte durchzieht. Es klingt wie ein viktorianisches Melodram, schreibt Weinshel, mit Lügen und Täuschungen, Betrug und Verrat, finanzieller Schikane, autoritärer Ungerechtigkeit und väterlicher Tyrannei, angehaucht von Untreue und Inzest. Die Patientin sucht ständig nach verläßlichen autoritären Figuren, während sie gleichzeitig versucht, diese zu korrumpieren und als unehrlich zu entlarven. Diese beiden Richtungen werden innerlich mit gleicher Anstrengung und Gewalt verfolgt, und stellen einen weiteren Widerstand für psychoanalytische Arbeit dar.
Diese Auswahl von Besonderheiten begründet Weinshel damit, daß jeder Analytiker unterschiedliche Sichtweisen auf diesen Fall vertritt und andere Fakten hervorheben würde, er selbst interessiert sich für die Veränderungen des psychoanalytischen Denkens und Behandelns und betrachtet daher die Phänomene von Widerstand, Charakter, Gegenübertragung und Über-Ich.

3.) Entwicklungen der Psychoanalyse:
Für eine eingehendere Betrachtung des Falles entwirft Weinshel vier Zeitebenen, in die er den Fall einteilt und für die es das jeweilige psychoanalytische Denken vorstellt. Die erste Ebene ist die Zeit von 1919 bis 1931, die Jahre der Behandlung der Patientin bei Dr. Z.. Die Zeit von 1931 bis 1934 ist die Dauer der Analyse bei Dr. Loewenstein und somit die zweite Periode. Die Zeit von 1935 bis 1956 ist die Zeitspanne nach der Analyse und der Veröffentlichung der "Reflections on the treatment of a case of obsessional neurosis" von Loewenstein, bei denen der Autor sein Konzept von Ich-Psychologie darstellt. Die letze Periode ist von 1956 bis 1983, dem Erscheinen des Aufsatzes von Weinshel.
Zu der ersten Periode ist die Informationslage so spärlich, daß Weinshel nur wenig dazu sagen kann und nicht auf einem systematischen Weg. Viele würden diese Behandlung bei Dr. Z. als eine "wilde Analyse" abtun, was er relativiert und etwas objektiviert und freundlicher darstellt. Dr. Z. hat seiner Meinung nach Freuds Lehre aus dem vorangegangenen Jahrzehnt nur unvollständig und unzureichend verstanden, mit der Konsequenz der folgenreichen und erfolglosen Analyse. Weinshel arbeitet sechs Kategorien aus den drei letzten Perioden heraus, die die bemerkenswertesten Veränderungen des psychoanalytischen Denkens und Behandelns aufzeigen. Wo Dr. Loewensteins Daten nicht eindeutig genug sind, gibt der Autor zu, hat er sich auf eigene Schlußfolgerungen bei diesen Beobachtungen verlassen.

4.) 1. Die Diagnose:
Die Einstellung zur Diagnose und die Form der Diagnose hat sich entscheidend geändert. Die Diagnose zur Zeit der Fallgeschichte hatte ein ganz besonderes Gewicht und war von besonderer Wichtigkeit. Sie selbst wurde hauptsächlich aus den Symptomen, die sich am Patienten zeigten, erstellt. Relativ wenig geht auch Dr. Loewenstein auf die Persönlichkeit und den Charakter der Mme. N. ein, ihre Ich-Stärke und die funktionale Effektivität des Ich. Zeitgenössische Analytiker Weinshels würden diese Aspekte berücksichtigen und ihren Fokus auf den Charakter und die darunterliegende Ich-Struktur legen (masochistischer Charakter, zwanghafter Charakter, Borderline usw.). Weinshel ist weit davon entfernt, dabei die Frage nach der "korrekten" Diagnose zu stellen, sondern zeigt an dieser Beobachtung auf, wie sich die Psychoanalyse gewandelt hat. Das Interesse für die Symptome hat abgenommen, statt dessen hat die Entwicklung und die Entwicklungsebene des Charakters und der Hauptkonflikte an Bedeutung gewonnen, wie auch die umfassende Persönlichkeitsstruktur und deren Stärke. Dieser Wandel, 'wie' der Patient gesehen wird, hat Auswirkungen, wie der Analytiker sich ihm mit seinen Interventionen nähert.

5.) 2. Ödipale vs. prä-ödipale Konflikte:
In den Dreißiger Jahren stand noch außer Frage, daß die ödipale Phase und deren Schicksalsschläge verantwortlich waren für den Kernkonflikt einer Neurose. Das Auftreten von prä-ödipalen Konflikten wurde als Regression von dem eigentlichen Konflikt gesehen. Ähnlich geht auch Dr. Loewenstein vor, wenn er die zwanghaften Symptome einer Zwangsneurose zuordnet und die Angstanfälle einer phobischen Neurose. Heute würde man beides als zwei verschiedene Phasen eines neurotischen Prozesses sehen. Die Aggressionen der Patientin verband er mit der zwanghaften Periode, ohne zu danach schauen, wie und welche aggressiven Komponenten in ihrem Leben oder der Analyse noch auftauchten. Wenig Interesse wurde darauf verwendet, eine Verbindung zur Ursache, Bedeutung oder zum Einfluß der prä-ödipalen Probleme zu schaffen. Denn diese beeinflussen natürlich die ödipalen Probleme und die Charakterstruktur. Nach heutiger Erkenntnis spielen ödipale Konflikte eine weniger zentrale Rolle und sind im Hinblick auf den Kernkonflikt eines Patienten weniger bedeutsam als die Störungen, die in prä-ödipaler Zeit passiert sind. Neben dieser veränderten Sichtweise werden heutzutage auch weniger solche Erklärungsmuster gebraucht, die Konzepte von Fixierung und Regression von der ödipalen Phase verwenden.

6.) 3. Das Ziel der Behandlung:
Das Ziel der Behandlung ist nach wie vor gleichgeblieben, nämlich die pathologische Regression aufzulösen. Das Konzept, wie dies erreicht werden kann, hat sich dagegen gewandelt, wie man schon in Dr. Loewensteins Aufsatz sieht. Dr. Z. schenkte den Widerständen und der Abwehr wenig Beachtung, ihre Aufmerksamkeit galt ganz den frühen Trieben und deren Derivaten, ohne auf spezifische Probleme der Abwehr der Patientin einzugehen. Dr. Loewenstein war sich hingegen der Bedeutung des Widerstands bewußt, und daß dessen Analyse vordringlich war. Sein Konzept war es, der Patientin zu helfen, ihre Widerstände gegen die Analyse zu verstehen, anstatt sie einfach zu überwinden. Dies machte eine ruhige und taktvolle Arbeit nötig, um mit kleinen Schritten die Abwehr zu verstehen und somit strukturelle Veränderungen beim Ich zu erreichen. Parallel dazu war ein Aufdecken des Inhalts von unterdrückten Konflikten weniger wichtig.

7.) 4. Der Widerstand:
Mit diesen Änderungen auf dem Weg zum Ziel einer Behandlung änderte sich auch die Technik der Analyse. Während vor 1931 die Konstruktion der infantilen Geschichte, die Suche nach sexuellen Traumas und die Aufdeckung von verdrängten Inhalten Hauptgegenstand war, war nun die Analyse von Widerständen von verdrängten Inhalten, die Analyse der Übertragung, also eine Analyse von der Oberfläche, das Thema der Behandlung. Mit der Ich-Psychologie konnte Abwehr und Übertragung effektiver untersucht werden und die Verbindungen zwischen Vergangenheit und Gegenwart konnten besser verstanden werden. Die Innen- und Außenwelten eines Patienten, und das Zusammenspiel der drei Instanzen des psychischen Apparats wurden weitere Schwerpunkte bei der psychoanalytischen Arbeit, das Interesse für die Genese des Charakters und der gesamten psychischen Struktur kam auf.
Zum Zeitpunkt des Erscheinens von Weinshels Aufsatz 1983 ist die Situation noch komplexer. Die von Freud entwickelten und von Loewenstein ausgearbeiteten Techniken sind noch viel komplexer und feiner geworden. Der theoretische Hintergrund ist viel breiter geworden, das Wissen und die Erfahrungen über die menschliche Psyche und die  psychischen Konflikte, die die Psychoanalyse angesammelt hat, hat zu vielfältigen psychoanalytischen Behandlungstechniken geführt ("there is a greater diversity in our technical approach"). Dies bietet ein stabiles Gerüst für die Analytiker, Theorie und Praxis zu verknüpfen, hat jedoch auch dazu geführt, daß die Erforschung und die Zahl von neuen Umgangsweisen mit dem Widerstand zurückgegangen ist, da man einfach einen anderen Weg "ausprobieren" kann, wenn man mit einem anderem nicht weiterkommt. Weinshel weist auf eine Arbeit von Paul Gray hin, der herausgearbeitet hat, daß von Anfang an ein Widerstand in den Reihen der Analytiker, inklusive Freud selbst, bestand, nämlich Widerstand an sich zu entschlüsseln.

8.) 5. Übertragung und Gegenübertragung:
Die Bedeutung der Übertragung war schon vor Dr. Loewensteins Analyse von Mme. N. bekannt, allerdings nicht für Dr. Z., wie es scheint. Die Wichtigkeit der Übertragung als eins der entscheidendsten Elemente der Behandlung hat heute noch an Gewicht gewonnen und es ist klar, daß hier über den Erfolg der Analyse entschieden wird. Jedoch gibt es selbst heute keine einheitliche Auffassung, wann und wie sich in der Behandlung an die Übertragung genähert werden soll.
Die Rolle der Gegenübertragung ist in den letzten Jahrzehnte deutlich geworden und ebenfalls zu einem Beschäftigungsfeld von Analytikern geworden. Dr. Loewenstein schreibt wenig über dieses Phänomen bei seiner Analyse, Weinshel vermutet, daß mindestens das Verhalten von Dr. X. und Dr. Y. auf eine Gegenübertragung zurückzuführen sei. Die Analytiker der 1980er Jahre richten ihre Aufmerksamkeit auf die Gegenübertragung und sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch dabei, sich eingehender damit zu beschäftigen und zu experimentieren. Jedoch übertreiben manche Analytiker, beklagt Weinshel, wenn sie sich so stark auf die Gegenübertragung beschränken, daß der Patient und dessen Probleme fast schon als überflüssige Komplikation gesehen werden.

9.) 6. Das Über-Ich:
Das was Weinshel mit dem letzten Punkt seiner Besonderheiten des Falles von Mme. N. gemeint hat, der Hauch von Moralität, der den Fall umgibt, weist auf ein Problem hin, zu dem Dr. Loewenstein ebenfalls so gut wie gar nichts in seiner Falldarstellung oder seinen späteren theoretischen Werken sagt. Die Moralitäts-Atmosphäre wird durch das Über-Ich und Über-Ich-Konflikte geschaffen. Obwohl in jeder Analyse Problematiken von Moralität und Verantwortung auftauchen, gibt es keine eingehende Untersuchung davon. Weinshel zählt nur die Arbeit von Rangell auf, die einen Meilenstein in diesem Aspekt darstellt und beendet seine Diskussion von der Fallgeschichte mit der Hoffnung, daß dieses Thema in Zukunft größere Aufmerksamkeit bekommt, da auf diesem Gebiet noch wichtige Entdeckungen gemacht werden können.

Dr. Rudolph Loewenstein
Dr. Rudolph Loewenstein
"[...] She was a married woman of about thirty, with symptoms of a serious obsessive-compulsive neurosis. She had such a dread of having perhaps 'touched the old woman' that she could not get along without seeing her analyst every day. [...] I was cautious about passing judgment in view of the seriousness of the patient's symptoms which had persisted for years: continous and excessive anxiety; an extreme degree of folie du doute; endless compulsive ablutions; total absorption in her 'touchings' and her treatment to the exclusion of all other activities. [...]"
(Loewenstein S. 25f)
"[...] It became clear to me later that the fears were not lest she had touched some real old woman, but lest she had touched someone or something that might have been in contact with an old servant, a maid she had had six years previously. It made no difference whether the object in question was a man or a young woman or a table, or whether the person or object was quite close to her or several yards away. What mattered was that she had the idea, the obsession, that she might somehow have been in contact with this person or thing that had been touched by the 'old woman,' the maid in question. To avoid being 'contaminated' by such 'touches,' she isolated herself from all sorts of objects - including the psychoanalytic couch - by spreading out unnumerable pieces of tissue paper. Every morning, following an established ritual, she scrubbed herself for hours with soap and water. And if during these 'washings' she had the obsessive thought that she might somehow have touched 'the old woman,' she was compelled to start all over again. [...]"
(Loewenstein S. 27)
"[...] The patient had a peculiar habit which gave me the first clue ro the enigma. At the end of every session she would insist on my repeating my last interpretation several times [...]
I then recalled how Freud had interpreted this type of obsessive symptom in his patient known as the 'Rat Man.' Freud explained that this type of obsessive doubt expresses an unconscious lack of confidence in the interlocutor - a sort of derisive doubt. [...]
"
(Loewenstein S. 31f)
"[...] From her adolescence on, her father had opposed the idea of her marrying for love; she must have an arranged marriage with a man who was comfortably off. Through attachment to her father she submitted outwardly to his will. But in actual fact the neurosis which broke out during her honeymoon was a blow at her father and represented a sort of unconscious revenge, which she in turn paid for dearly in terms of anxiety and guilt. Later, after the loss of his fortune, this father for whom she had sacrificed her love life was to betray her by allowing her younger sister to marry the man she loved. [...] Everything then conspired to depreciate love in favor of money: she had to go about in the company of her mother-in-law - another 'old woman' - instead of a lover; her father borrowed money from her husband and did not pay it back. Dr. Z. added the finishing stroke by advertising her to get a lawyer, who increased her husband's inheritance, while at the same time she advertised her to reject a lover, but to retain a disagreeable, ugly old maid in her service. As with her father, the patient outwardly submitted, and her revolt took the form of the obsessive-compulsive neurosis. [...]"
(Loewenstein S. 37)
"[...] On another occasion she tested me out in a different way: she suddenly started to mention suicidal thoughts. Her intentions of scaring me was quite transparent and there was obviously no real danger; so I assured her that I was not going to interrupt the treatment as Dr. Y. had done. Her suicidal thoughts disappeared immediately and never recurred. [...]"
(Loewenstein S. 41)
"[...] Recently it has become more common to see patients with variations of Mme. N's type of resistance. I am referring to patients who use psychoanalytic jargon in their sessions, glibly making use of analytic terms that they have picked up in psychoanalytic books or that their analyst has rather rashly imparted to them. They unconsciously make use of these terms to disguise their real psychological experiences. [...] Whenever a patient makes use of analytic terms as a means of resistance, the analyst should be particularly careful to express his patient's experiences in simple, nontechnical language, and the terms he uses should correspond exactly with the thoughts and affects of the patient. [...]"
(Loewenstein S. 43)
Institut für Psychoanalyse der JWG-Universität Frankfurt
Kurzbiographie von Rudolph Loewenstein (französisch)
Psychologie-Skript zur Neurosenlehre [PDF-Format]
Komplette Bücher zur psychoanalytischen Theorie vom Universitätsklinikum Ulm
Vorlesungs-Skript zur Einführung in die Psychoanalyse
What is Obsessive Compulsive Disorder (englisch)
Entstehung und Konzepte der psychoanalytischen Krankheitslehre von Sigmund Freud
Schweizer Website über Zwangserkrankungen
Zwangsneurose im DSM-IV (englisch)
Längerer Auszug aus einem Buch über Zwangsstörungen mit Informationen zu Diagnostik, Theorie und Therapie
Benutzte Literatur

LOEWENSTEIN, R. M.: "The old woman's touch: Reflections on the treatment of a case of obsessional Neurosis." In: SHOLEVAR, G. P. (Hrsg.): "Psychoanalytic Case Studies."; Madison, CT 1991 [orig. 1956]
WEINSHEL, Eduard M.: "A discussion of "The old woman's touch: Reflections on the treatment of a case of obsessional Neurosis" by Rudolph M. Loewenstein." In: SHOLEVAR, G. P. (Hrsg.): "Psychoanalytic Case Studies."; Madison, CT 1991 [orig. 1983]

Bemerkungen:
Dieses Referat entstand im Rahmen des Seminars "Spezifische Neurosenbilder" im Sommersemester 1998. Diese Veranstaltung fand am Institut für Psychoanalyse (Fachbereich Psychologie) an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität Frankfurt am Main statt. Geleitet wurde sie von Prof. Dr. Christa Rohde-Dachser, die die vorliegende Arbeit mit "gut" (2+) benotete.
B. Reifschneider schloß sein Studium im Mai 2000 mit dem Magister Artium in Theater-, Film- & Medienwissenschaft ab und ist heute Doktorand am Fachbereich Neuere Philologien.
Die Urheber- und Vervielfältigungsrechte für diesen Text bleiben bei dem Autor. Das heißt, daß ohne meine AUSDRÜCKLICHE Genehmigung nichts, auch nicht auszugsweise, vervielfältigt oder wiederveröffentlicht werden darf, weder zu kommerziellen, noch zu unkommerziellen Zwecken. Zitieren nach den allgemein gültigen Standards ist okay, aber es sollte schon eine Autorenangabe oder ein Hinweis dabeistehen, wo das Original zu finden ist.
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