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Terry Gilliam
Biographie und Werk:
Terry Gilliam wurde am 22. November 1940 in Minneapolis geboren. Er
besuchte das Occidental College in Eagle Rock, außerhalb von
Los Angeles, wo er Politikissenschaften studierte. Von Bedeutung
für seinen weiteren Lebensweg war, daß er das
college-interne Fang-Magazin übernahm und neu
herausbrachte. In Anlehnung an die berühmten MAD-Comics
und dessen Schwestermagazin Help! von Harvey Kurtzmann
machte er "aus einem hochklassigen und poetischen Magazin billige
Komik", "ein sinnloses Comicbuch" (Wardle). Er schrieb Geschichten,
zeichnete Cartoons und stellte das Heft zusammen, schließlich
schickte er auch Kopien an sein großes Idol Harvey Kurtzmann,
der ihm einen lobenden Brief zurückschrieb, so daß
Gilliam nach seinem College-Abschluß sich mit ihm verabredete
und nach New York fuhr, wo er assistierender Herausgeber des
Help!-Magazin wurde und Cartoons zeichnete. Er kam bei
dieser Arbeit auch zum ersten Mal mit John Cleese in Kontakt, der
mit dem Cambridge Circus auf Tour war und brachte einen Beitrag mit
ihm ins Heft. Gilliam blieb insgesamt drei Jahre bei Kurtzmann.
1967, nachdem er aus Versehen in eine nächtliche Anti-Vietnam
Demonstration geraten war, mußte er am eigenem Leib erfahren,
wie die Polizei rücksichtslos die friedlichen Demonstranten
niedermähte. "It was the first nightmare I ever experienced in
reality" erinnert er sich (S. 7 Mathews). Vor allem das Bild eines
wehrlosen Rollstuhlfahrers, der von der Polizei besinnungslos
geschlagen wurde, blieb ihm im Gedächtnis. Das Bild eines
hilflosen Menschen, der willkürlich der Gewalt einer
bürokratischen Staatsmacht ausgesetzt ist, taucht später
in Gilliams Arbeiten immer wieder auf, das Motiv erscheint
beispielsweise mit dem Verhörstuhl in der Zukunft bei 12
Monkeys.
Nach diesem erschreckenden Erlebnis floh Gilliam regelrecht aus den
USA, da er sowieso zu der Zeit keinen befriedigenden Job hatte. Er
ging nach London und bekam mit John Cleeses Hilfe einen Job beim
BBC.
Er wurde 1969 Cartoonist für das neue, ungewöhnliche
TV-Programm Monty Python's Flying Circus, zu dem neben
Gilliam als ständige Mitglieder der schon erwähnte
Cleese, Graham Chapman, Eric Idle, Terry Jones und Michael Palin
gehörten. Ihre Show setzte sich zusammen aus einzelnen
Sketchen in dem berühmt gewordenen skurrilen britischen Humor,
dem auch Gilliam anhängt.
Seine Tätigkeit hierfür brachte ihm bereits 1969 einen
British Academy Award für Grafik ein. Er arbeitete als
Schauspieler, Autor und natürlich als Entwickler der
irrsinnigen Trickfilmsequenzen. Er war Co-Regisseur bei Monty
Pythons wunderbare Welt der Schwerkraft, einer kinofilmlangen
Zusammenstellung von Monty Python Sketchen von 1971 und bei dem
1974 entstandenen Die Ritter der Kokosnuß, einer
König-Artus-Parodie. Alleiniger Regisseur war er bei der
düsteren und blutrünstigen Mittelaltergeschichte
Jabberwocky (1975), in der das Element eines
bürokratischen und geschlossenen Systems zum ersten Mal
auftaucht. Bei einem weiteren Monty Python Film, Das Leben des
Brian (1979), war er nur Co-Autor, Darsteller und
Produktionsdesigner. Sein nächster eigener Film war Time
Bandits, der 1981 herauskam und eine verrückte Zeitreise
von einem Jungen und einer Gruppe Zwergen beschreibt. Nach dem
großen Erfolg dieses Films (er spielte 50 Millionen Dollar
allein in den USA ein) konnte Gilliam 1985 sein größtes
Werk, Brazil, drehen. 1989 und 1991 folgten die beiden
Hollywood-Produktionen Die Abenteuer des Baron
Münchhausen und Der König der Fischer, von
denen der erste wegen verschiedener Produktionsschwierigkeiten sein
Budget stark überzog und allgemein "ein wenig im kreativem
Chaos versank" (S. 20 Pressemappe). Der König der
Fischer mit Robin Williams war ein solider Studiofilm, der vier
Oscar-Nominierungen erhielt, darüber hinaus bekam Gilliam
einen Golden Globe für seine Regie.
Allgemeines zu 12 Monkeys
Weiterentwicklung von Brazil:
Der 1995 entstandene 12 Monkeys kann zu recht als
Weiterentwicklung des Konzepts von Brazil gesehen werden.
Terry Gilliam hat in 12 Monkeys nicht nur eine futuristische
Diktatur als geschlossenes System etabliert, sondern
zusätzlich die Zeit als unentrinnbares Gefängnis
eingeführt. Er verbindet noch stärker das
persönliche Schicksal eines einzelnen mit dem Schicksal der
ganzen Welt, Wahnvorstellungen und Realität vermischen sich
ständig, ohne daß Gilliam explizit zeigt, was absolute
Realität ist. Der starke Wunsch eines Individuums, aus seinem
Gefängnis der Zeit und des Schicksal auszubrechen, wird als
unmöglich zu verwirklichen gezeigt, denn die Geschichte wird
als unveränderliches Kontinuum dargestellt, die
rückwirkend nicht geändert werden kann. Die einzige
Freiheit, die wirklich erreicht werden kann, ist in der Phantasie,
nur dort ist alles möglich, sie ist durch jedem Zugriff von
außen geschützt.
Der Einzelne muß in 12 Monkeys erkennen, daß
nicht nur eine politische Diktatur seine Freiheit und
Selbstverwirklichungswünsche einschränken, sondern selbst
wenn er dieser entronnen scheint, noch immer im Gefängnis der
Zeit steckt. Unter normalen Umständen wäre er sich dieser
Fesselung nicht bewußt, aber durch die Möglichkeit des
Zeitreisens offenbart sich die geschlossene Struktur der Zeit, die
den Käfigen des Zukunftsgefängnis an brutaler
Einschränkung in nichts nachsteht.
Darstellung der Produktion:
12 Monkeys ist nicht wie Brazil eine
Independent-Produktion, sondern fast schon eine typische
Hollywood-Produktion. Terry Gilliam hat weder die Idee zu dem Film
gehabt, noch das Drehbuch geschrieben. Dafür verantwortlich
waren die beiden Drehbuchautoren Janet und David Peoples. Die
beiden Peoples-Geschwister haben außerdem an dem Script zu
Blade Runner mitgearbeitet, die Drehbücher zu Salute
of the Jugger, Unforgiven und Hero stammen
ebenfalls von ihnen. Auch in diesen Filmen werden Themen wie
Kräftemessen, Stammessysteme und eine zerstörte Zukunft
angesprochen. Direkte Inspirationsquelle für 12 Monkeys
war der französische Kurzfilm La Jetée.
Nach dem Erfolg von The Fisher King folgten für Terry
Gilliam 4 Jahren Pause, in denen er nach eigenen Angaben andere
Dinge gemacht hat, wie zum Beispiel mit Hi-8-Kameras
herumzuspielen. Er versuchte sich an mehreren Projekten für
Drehbücher, von denen keines zustande kam. Für ihn
überraschend bekam er das Angebot, Regie bei 12 Monkeys
zu führen. Er sagte zu, weil ihm die Geschichte gefiel und
bekam ein 30 Millionen Dollar Budget mit komplettem Casting, und
brauchte nur noch anzufangen. Das Studio, mit dem Gilliam den
langen Streit wegen Brazil hatte, Universal Pictures,
veröffentlichte den Film. Der Studiopräsident war diesmal
allerdings ein anderer, Casey Silver, er soll ein Fan von Terry
Gilliam sein. Produziert wurde der Film von Charles Roven
(Johnny Handsome, Salute of the Jugger), Production
Designer war Jeffrey Beecroft (Der mit dem Wolf tanzt,
The Bodyguard), Art Director war Wim Ladd Skinner (Lock
Up, Der mit dem Wolf tanzt). Kameramann war der Brite
Roger Pratt, der schon bei Die Ritter der Kokosnuß,
Brazil, Der König der Fischer und Die
Abenteuer des Baron Münchhausen mit Gilliam
zusammengearbeitet hatte und außerdem als Chef-Kameramann
unter anderem bei Batman und Mary Shelley's
Frankenstein tätig war. Set Dekorateur war der Veteran
Crispian Sallis, der diese Aufgabe schon zum Beispiel bei
JFK und Aliens hatte.
Entgegen zu dem früheren Terry Gilliam Film Die Abenteuer
des Baron Münchhausen, wegen dem es zu
Versicherungsstreitigkeiten kam, ist 12 Monkeys in seinem
Budgetrahmen geblieben. Für eine nach
Hollywoodmaßstäben recht geringe Summe hat er drei Stars
in Hauptrollen: Brad Pitt, Bruce Willis und Madeleine Stowe. Obwohl
es nicht Gilliams Idee war, Willis und Pitt in den Film zu nehmen,
bestanden Produzent, die Schauspieler und Studio darauf, mindestens
einen Star einzubringen, wodurch es schließlich zu diesem
Ergebnis kam.
12 Monkeys bekam 1996 zwei Oscarnominierungen: für Brad
Pitt als Best Supporting Actor und für Julie Weiss für
Best Costume Design. Es blieb bei den Nominierungen, Pitt hatte
allerdings bereits vorher einen Golden Globe Award für seine
Rolle des Jeffrey Goines bekommen.
Gilliam hatte keine Chancen, die Geschichte des Drehbuchs selbst zu
beeinflussen, jedoch hat er die Möglichkeiten, die sich ihm
als Regisseur bei der Realisation von 12 Monkeys boten,
genutzt, um seine eigenen Ideen einzubringen und einen 'typischen'
Terry-Gilliam-Film zu schaffen. Erleichternd kam hinzu, daß
die Drehbuchschreiber während den Dreharbeiten nicht anwesend
waren, so konnte Gilliam seine eigene Interpretation der Geschichte
entwickeln.
Ausführliche Inhaltsangabe:
Bei 12 Monkeys geht es um den Gefangenen James Cole (Bruce
Willis), der im Jahr 2035 ausgewählt wird, eine
gefährliche Erkundungsmission zur Erdoberfläche zu
unternehmen. Denn 1996/97 kam es zu einem Ausbruch einer
unheilbaren Viruskrankheit, die für den Tod von 5 Milliarden
Menschen innerhalb kürzester Zeit verantwortlich war. Die
wenigen Überlebenden zogen sich in unterirdische Bunkeranlagen
mit strengsten Quarantänemaßnahmen zurück, in denen
ein totalitäres System einer Wissenschaftlerelite
herrscht. Der psychotische Cole ist wegen diverser Gewaltverbrechen
und Verstößen gegen den permanenten Ausnahmezustand
verurteilt und erhält mit einer Erkundungsmission die
Möglichkeit, sein Strafmaß zu reduzieren. Bei diesem
Ausflug erforscht er das winterliche Philadelphia auf der Suche
nach Lebewesen, die untersucht werden sollen. Dabei kommt er an
mehreren verfallenen Gebäuden von Kaufhäusern und
Geschäften vorbei, die er später im Film im Zustand des
Jahres 1996 wiedersehen wird. Cole begegnet einer Reihe von wilden
Tieren, die jetzt die Herrscher der Welt darstellen, da der Virus
und seine Mutationen nur Menschen angreift.
Nach erfolgreicher Beendigung der Erkundungsmission bekommt er
einen vollständigen Straferlaß in Aussicht gestellt,
wenn er sich in die Vergangenheit schicken läßt, in der
er herausfinden soll, wo der tödliche Virus seinen Ursprung
hat, damit Wissenschaftler zurückgeschickt werden können,
um mit der Reinform des Erregers einen Impfstoff zu entwickeln, der
den Menschen die Wiederbesiedlung der Erdoberfläche
ermöglichen soll. Dieses Briefing findet in einer
ausdrücklichen Verhörsituation statt, in der klar ist,
daß er keine andere Entscheidung als zuzustimmen hat.
Cole hatte schon von klein an immer wieder einen Traum an die Zeit,
bevor er als Kind vor dem Virus unter die Erde flüchten
mußte. Darin geht es um einen Flughafen, in dem er sich
selbst als Kind sieht. Er beobachtet eine Verfolgungsjagd, bei der
ein Mann erschossen wird, zu dem Sterbenden eilt eine
wunderschöne Frau, deren Verzweiflung und Trauer ihn sehr
stark beeindruckte. Dieser Traum ist Coles einzige Erinnerung an
die Vergangenheit und er durchlebt ihn fast jede Nacht.
Wie sich zeigt, führt ihn seine Zeitreise anstatt in das Jahr
1996 in den April 1990. Coles desolater psychischer Zustand ist
dafür verantwortlich, daß er kurz nach seiner Ankunft
verhaftet wird und in eine psychiatrische Klinik kommt. Dort trifft
er auf Jeffrey Goines (Brat Pitt), einem jungen Tierrechtler, bei
dessen Beisein er im Zustand geistiger Verwirrung und unter der
Wirkung von Beruhigungsmittel die kommende Katastrophe
erwähnt. Goines ist von der Idee, die Menschheit mit einem
Virus auszurotten, sehr angetan und verhilft Cole zu einem
Fluchtversuch, der allerdings schon nach kurzer Zeit endet. Kaum
aber ist Cole alleine, völlig gefesselt und sediert, wird er
von den Wissenschaftlern zurück in seine Zeit geholt und
verhört.
Trotz des augenscheinlichen Scheiterns seiner Mission erhält
er eine zweite Chance, den Ursprung des Virus herauszufinden, denn
man glaubt zu wissen, daß eine terroristische
Untergrundorganisation für die Freisetzung des Virus
verantwortlich war, die "Armee der 12 Monkeys". Jeffrey Goines soll
ebenfalls Mitglied dieser Vereinigung gewesen sein.
Bei seiner zweiten Zeitreise gelangt Cole zunächst auf ein
Schlachtfeld des Ersten Weltkriegs, wo er angeschossen wird und
kurz darauf wieder einen Zeitsprung macht, diesmal in das Jahr
1996. Dort angelangt, entführt er seine frühere
Psychiaterin Kathryn Railly (Madelaine Stowe), die der Frau aus
seinem Traum verblüffend ähnlich sieht. Auf der Flucht
vor der Polizei entdeckt Railly ihre Gefühle für Cole und
beschließt ihm zu helfen, da sie der Ansicht ist, er leidet
unter schweren Wahnvorstellungen und versucht ihn zu einer
psychiatrischen Behandlung zu überreden. Trotz des Unglauben
von Dr. Railly gelingt es ihnen, die Spur der "12 Monkeys"
aufzunehmen, deren Versteck zu lokalisieren und sie in Verbindung
mit Jeffrey Goines zu bringen. Cole findet heraus, daß dessen
Vater ein nobelpreisgekrönter Virologe ist, der mit genetisch
veränderten Lebewesen experimentiert. Cole versucht von Goines
die ursprüngliche Form des Virus zu bekommen, dieser bringt
jedoch bei der Diskussion darüber das Gespräch darauf,
daß die Idee, die Menschheit auszulöschen ja von Cole
selbst stammt und er momentan damit nichts zu tun hat und ihn
abweist. Es folgt erneut eine kurze Flucht, an deren Ende James
Cole wieder von den Wissenschaftlern zurück in seine
Zeit geholt wird.
Die Wissenschaftler sind beeindruckt von dem Erfolg der Mission,
daß Cole es geschafft hat, als die Quelle des Virus das Labor
von Jeffrey Goines Vater Dr. Leland Goines herauszufinden. Die
Wissenschaftler stellen Cole seine Begnadigung aus und versichern
ihm, daß er nun frei ist und keine Zeitreisen mehr
unternehmen muß. Doch Cole hat sich während seines
Aufenthaltes in der Vergangenheit sehr in Kathryn Railly verliebt
und spürt starke Sehnsucht nach dieser vergangenen Zeit,
schließlich bittet er nach seiner Genesung darum, erneut eine
Zeitreise zu machen, um den Virus endgültig sicherzustellen,
damit die Wissenschaftler ihn untersuchen können. Seine
freiwillige Meldung wird angenommen, er wird zum dritten Mal durch
die Zeit geschickt.
Kaum hat James Cole Dr. Railly 1996 wiedergefunden, eröffnet
er ihr, daß er ihr jetzt glaube, daß er verrückt
sei und möchte sich behandeln lassen und so den Ausweg aus
seinen verwirrenden Zeitreisezuständen finden. Sie hingegen
hat inzwischen mehrere Hinweise auf die Glaubwürdigkeit von
Coles früherer Weltuntergangsgeschichte geprüft, darunter
ein Foto von Coles Anwesenheit im Schützengraben 1917, und ist
der Meinung, daß tatsächlich die Möglichkeit
besteht, daß seine Warnungen vor der Virenseuche real sein
könnten. Anstatt sich der Polizei zu stellen, beschließt
sie, daß sie beide auf die Key West Inseln fliegen und dort
glücklich zusammen bleiben wollen und sehen werden, ob der
befürchtete Weltuntergang eintritt. Cole zerstört daher
einen vermuteten Peilsender in seinen Backenzähnen, der den
Wissenschaftler der Zukunft es ermöglichen soll, ihn zu
lokalisieren. Doch auch die Polizei des Jahres 1996 heftet sich an
ihre Fersen, Cole und Railly ändern ihre Frisuren und ihre
Kleidung, um ihren Verfolgern zu entkommen. Dabei betreten sie
mehrere Häuser, die Cole bei seiner ersten Erkundungsmission
im Jahr 2035 gesehen hat, seine Realität bricht für ihn
immer mehr zusammen. Auch sein Aussehen in der Verkleidung gleicht
dem Mann, der ihn seinem Traum getötet wird, es wird klar,
daß er keine wahre Fluchtmöglichkeit vor seinem
Schicksal in der Zeit hat.
Und tatsächlich spürt ihn am Flughafen, von dem Cole und
Railly auf ihr Paradies fliegen wollen, ein anderer Zeitreisender
auf und beschwört ihn, seine Befehle zu befolgen und die
Mission zu Ende zu bringen, ansonsten würde seine Freundin
erschossen. Während Cole einen großkalibrigen Revolver
ausgehändigt bekommt, entdeckt Railly, daß nicht die
Tierrechtler der "12 Monkeys"-Gruppe für das Aussetzen des
Virus verantwortlich sind, sondern der Assistent von Jeffrey Goines
Vater, der gerade dabei ist, seine Weltreise zu beginnen, auf der
er die Seuche aussetzen wird. James Coles Versuch, diesen Dr.
Peters aufzuhalten scheitert jedoch, er endet damit, daß Cole
kurz nach dem Durchbrechen der Sicherheitssperre von Polizisten
erschossen wird. Diese Szene wiederum wird von einem kleinen Jungen
beobachtet, dem jüngeren James Cole. In diesem Moment bildet
die Zeit eingeschlossenes System, aus dem keiner ausbrechen kann.
Der junge Cole wird von dem Tod seines älteren Ichs und der
Trauer Raillys so beeindruckt sein, daß ihn diese Erinnerung
so stark prägen wird, daß er ein unbändiges
Verlangen nach ihr empfinden wird, was möglicherweise zu
seiner psychischen Krankheit führt, die seine Frage nach
Identität offenläßt und es dazu kommen
läßt, daß für ihn die Geschichte niemals zu
Ende ist. Trotzdem hat er mit seinem Tod seinen Auftrag
erfüllt, man sieht in einer der letzten Einstellungen im
Flugzeug neben Dr. Peters eine der Wissenschaftlerinnen aus der
Zukunft sitzen, die womöglich gesandt wurde, um eine Probe von
der Reinform des Virus sicherzustellen.
Zeitreise im Film:
Die Vorlage La Jetée:
Terry Gilliam behauptet zwar, La Jetée nie gesehen zu
haben (vgl. Burger), die Drehbuchschreiber David und Janet Peoples
haben diesen preisgekrönten Avangarde-Film jedoch
ausdrücklich als Vorlage und Quelle der Inspiration
genutzt.
Chris Markers La Jetée (deutsch Am Rande des
Rollfelds) ist ein französischer Kurzfilm (Dauer 28
Minuten) aus dem Jahr 1962. Auch hier ist der Ausgangspunkt die
Erinnerung eines Kindheitstraums, ein Mann träumt immer wieder
davon, wie kurze Zeit vor dem dritten Weltkrieg ein Mann neben
einer Frau auf einem Flughafen erschossen wird. Die
Überlebenden der globalen Katastrophe, dem Krieg, haben sich
in den Untergrund zurückgezogen und vegetieren dort vor sich
hin. Der Mann, ein französischer Kriegsgefangener, wird nun
wegen dieses starken Bildes aus der Vergangenheit ausgewählt,
eine Zeitreise in die Zukunft zu unternehmen, aus der er
Energieressourcen und Medikamente für die Vergangenheit
mitbringen soll. Zunächst gelangt er bei Testreisen in die
Vergangenheit und trifft dort tatsächlich die Frau aus seinem
Traum. Immer wieder springt er zwischen den Zeiten hin und her, er
wird in seine Gegenwart zurückgeholt oder erscheint in der
Zukunft, wo er auch seine eigentliche Mission erfüllt.
Letztendlich beschließt der Mann aber mit Hilfe der Menschen
aus der Zukunft, die ebenfalls Zeitreisen unternehmen, bei seiner
Traumfrau zu bleiben. Jedoch ist auch in diesem Film dies nicht
gestattet, ein Wissenschaftler aus seiner Zeit spürt ihn auf
und erschießt in auf einem Flughafen, wo der Mann als Kind
diese Szene beobachtet.
Der Film besteht fast nur aus einer Art Fotoroman mit
schwarz/weiß-Bildern, begleitet mit einer Off-Narration,
Musik und Geräuschen. Die fixierten und bewegungslosen Bilder
unterstreichen ihren subjektiven Erinnerungscharakter. So wie die
Wahrnehmung des Zeitreisenden nur zögerlich
zusammenhängend wird, so bilden auch die Bilder erst nach und
nach eine gewisse Kontinuität.
Es gibt unter anderem psychoanalytische Deutungen von dem Film, die
eine Parallele zwischen der frühkindlichen Urszenen-Phantasie
und und dem Traum des Zeitreisenden ziehen und eine ödipale
Konfliktsituation mit fatalem Ende sehen (besprochen in einem
Seminar des TFM-Instituts von der Gastprofessorin Theresa de
Lauretis im Sommersemester 1996).
Zeit als geschlossenes System:
Es wird in diesen Filmen sehr stark auf das Zeitreise-Paradox
eingegangen, bei welchem ein Mensch nicht zur gleichen Zeit sein
und gewesen sein kann. Es ist einfach unmöglich, daß es
am selben Ort zur selben Zeit zwei verschiedene 'Versionen' eines
Menschen geben kann. Ein kleines Beispiel für das
Zeitreise-Paradox wäre, wenn man zurückreist und seine
eigene Großmutter tötet. Dadurch würde man selbst
niemals existiert haben, aber wie hätte man sie also
töten können?
Die Zeit ist auch hier ein geschlossenes System, das es keinem
Menschen und überhaupt nichts gestattet, sich daraus zu
befreien und einen eigenen Weg zu gehen. Die starre Zeitlinie kann
zu keiner Zeit geändert werden, denn das würde die Natur
der Zeit selbst in Frage stellen und womöglich zu einen
Kollaps dieser Dimension führen.
Die Zeit ist bei 12 Monkeys das perfekt geschlossene
äußere System, das keinem Protagonisten erlaubt, sich
außerhalb dieser Ordnung zu stellen und die Geschichte oder
das Schicksal zu verändern. Trotzdem beginnt der Protagonist
Cole, sich gegen die Ordnung dieses äußeren
Gefängnis aufzulehnen, in dem er versucht, seinen eigenen
Platz, sein eigenes Schicksal selbst zu bestimmen. So ist sein Tod
die logische Konsequenz darauf, dem er sich unter keinen
Umständen hätte entziehen können.
Ich werde allerdings nicht auf die persönlichen Motive Coles
eingehen, warum er die Entscheidung trifft, lieber in der
Vergangenheit zu leben als in seiner Gegenwart, sondern vielmehr
wie sich das geschlossene System Zeit in der Filmarchitektur
manifestiert.
Über die
Filmarchitektur
Besonderheiten des Films:
An Architektur finden sich zu jeder Zeit Röhrensysteme und
Gangsysteme. In den Kellern der Zukunft sind es schmutzige
Stahlkorridore, in dem Irrenhaus der Gegenwart steril-freundliche
Krankenhausflure. Sogar eine Nebenhandlung, die nur in den Medien
im Film abläuft, dreht sich um einen kleinen Jungen, der in
einen alten (Brunnen-)Schacht gefallen ist und darin gefangen ist.
Rohre, Schläuche und Kabel gehören wie bei Brazil
zur Ausstattung dieser Bauten und machen das Klaustrophobische, das
Verschlungensein in Etwas deutlich.
Gefängnisse und andere geschlossene Räume finden sich zu
jeder Zeit in dem ganzen Film verteilt, immer ist James Cole in
ihnen auf irgendeine Weise darin gefangen und von der
äußeren Welt isoliert. Wir sehen zum Beispiel nicht die
Ankunft Coles im Jahr 1990 bei seiner ersten Zeitreise, statt
dessen folgt der Einstellung, wo er in der Zukunft gebrieft wird,
als nächstes die Szene, in der er schon in Polizeigewahrsam
ist und gefesselt in einer Zelle sitzt. Die Zeit, die er davor kurz
desorientiert in Freiheit verbracht haben muß, wird nicht
gezeigt. Auch im Jahr 2035 erleben wir ihn nur als Gefangenen der
Wissenschaftlerdiktatur, jedoch in einer ganz anderen Konstruktion
von Gefängnis.
Zu der Architektur von Gefängnissen selbst, besonders
zeitgenössischen, habe ich fast nichts finden können.
Richtige Gefängnisse nach heutigen Maßstäben gibt
es noch gar nicht so lange, erst nachdem es einen
Zusammenhang zwischen Arbeitsmarkt und Strafvollzug gibt, hat sich
so etwas wie eine längere Gefängnisstrafe für
'normale' Verbrecher durchgesetzt. In den italienischen
Stadtstaaten gewinnt sie Bedeutung ab dem 13. Jahrhundert, in
England etwas Mitte des 16. Jahrhunderts, davor waren die
Leibstrafen die üblichen Bestrafungen, doch
Arbeitskräftemangel ließ die mittelalterliche
"Ausrottungspolitik" (S. 13 Bienert) zurücktreten. Die
Gefängnisse waren bloße Funktionsbauten, die allerdings
oft den Anspruch der Macht repräsentieren und eine gewisse
abschreckende Wirkung haben sollten. Sie sollten mehr als nur
ein Kerker sein, in dem man Verbrecher wegschließt, sondern
hatten auch die Aufgabe, diese im Laufe ihrer Strafe zu besseren
Menschen zu machen. Durch eine ständig wiederkehrende
öffentliche Debatte über Ethik und Strafvollzug wurde
immer auch bei der Planung eine gewisse Rücksicht darauf
genommen, daß ein menschenwürdiger Aufenthalt trotz
aller Unannehmlichkeiten möglich sein müßte.
Gedreht wurde für 12 Monkeys in Philadelphia und
Baltimore, also dort, wo auch die Geschichte spielt. Philadelphia
ist eine der geschichtsträchtigsten Städte der USA, hier
war das geistige Zentrum der amerikanischen Kolonie, die Stadt war
politisch führend im Unabhängigkeitskrieg, hier fand auch
die Verabschiedung der Unabhängigkeitserklärung statt.
Auch Baltimore ist eine der ältesten Städte der USA und
spielte eine wichtige Rolle in den Freiheitsbestrebungen der
Kolonien. Heute in der post-industriellen Zeit ist Philadelphia
voll mit heruntergekommen Bauwerken aus der industriellen
Blütezeit Anfang dieses Jahrhunderts. Gilliam führt den
Widerspruch von Historie und Gegenwart vor Augen, wenn er in
"morschen, gespenstischen, ehemaligen Kathedralen des
technologischen Fortschritts" (S. 10 Pressemappe) einen Film
über das Ende der Zivilisation dreht. Denn einige der
verfallenen Ruinen wurden als recht auratische Drehorte für
den Film verwendet, besonders zwei Kraftwerke in Baltimore und
Philadelphia wurden eigens dafür hergerichtet.
Benutzt wurde bei den Aufnahmen den ganzen Film hindurch oft
Weitwinkelobjektive, sie geben den Bilder eine verzerrtere und
tiefere Perspektive, die Gilliam als ehemaliger Cartoonist und
Comiczeichner favorisiert. Sie erzeugen eine "verbogene"
Architektur durch erzwungene und forcierte Perspektiven und
ändern den gewöhnlichen Maßstab der Dinge. Die
Wirkung von Weitwinkelaufnahmen auf den Zuschauer ist, daß
man das Gefühl hat, sich mehr 'im Film' zu befinden. Gilliam
wollte aber trotzdem vermeiden, daß die Zuschauer den
Verfremdungseffekt bemerkten.
Bemerkenswert ist weiterhin, daß der Film praktisch keine
offenen Räume mit Menschen zeigt. Zwar sieht man am Anfang des
Films Cole in seinem Schutzanzug durch die weiten Straßen
wandern, jedoch wiederholt sich ein solches Bild von Offenheit und
Weite bis zum Ende des Films nicht, nur die Aufnahmen im Flughafen
erschaffen eine ähnliche Atmosphäre. Die
Kamera ist meistens sehr nah an den Protagonisten
dran, sie folgt ihnen mit Close-Ups und Nahaufnahmen. Dadurch
scheinen diese selbst in ihren Handlungen und Bewegungen
eingeschränkt, alle ihre Möglichkeiten, sich entziehen zu
können oder verloren zu gehen werden ihnen so genommen. Statt
dessen sind sie immer verfolgt und gefangen auf engstem Raum.
Darstellung der Zukunft:
Die beeindruckendsten Bauten für 12 Monkeys sind die
Stadt unter der Erde im Jahr 2035. Die Umgebung, in der die
unterirdischen Anlagen gedreht wurden, ist in einem verlassenen
Industriegebiet. Die Westport Power Plant, 1906 in Baltimore als
das größte Stahlbetonkraftwerk der Welt gebaut, dient
als Hintergrund, in dem die meisten Sets von dem klaustrophobischen
Unterweltsystem spielen. Diese Sets sind so passend hinein gebaut
worden, als ob sie zu den Trümmern des Kraftwerks
gehörten. Ausgiebige Umbauarbeiten waren notwendig, um einen
studio-artigen Arbeitsplatz für die Filmcrew zu schaffen.
Die Umgebung der Unterweltanlage erzeugt Klaustrophobie und
Unbehagen. Filmisch geschieht das eben durch die Verwendung von
Weitwinkelobjektiven, die den Eindruck hervorrufen, als wäre
alles um einen herum geschlossen und leicht verzerrt, selbst die
Nahaufnahmen haben dadurch ein brutales und erschreckendes
Aussehen.
Die unterirdische Stadt der Zukunft ist eine typische
Gilliam-Vision wie in Brazil. Überall sind Schatten,
Rost und Dreck, Schläuche durchziehen das Bild, Ventilatoren
und Lüftungsschächte verbinden die Räume zu einem
atmenden Organismus. Die Stadt der Zukunft ist nicht aus
glänzendem Stahl, Glas und Hi-Tech aufgebaut, aber auch nicht
nur aus Rost und verfaulendem Dreck. Gilliam verbindet diese beiden
Richtungen der Science Fiction und entwirft eine Komposition, die
fast schon an sado-masochistische Phantasien erinnert: die Menschen
leben in Käfigen und alles besteht aus glattem Gummi und
rostigen Ketten. Die Unterwelt erscheint halb organisch, halb
elektronisch und die Architektur gleicht sowohl einem Kunstwerk als
einer funktionale Skulptur.
Gilliams Anspruch war, für seinen Film eine eigene Bildsprache
zu entwickeln, ohne von Vorbildern wie Brazil oder Blade
Runner zu kopieren. Sie sollte auf der Architektur der 20er und
30er Jahre basieren (S. 10 Pressemappe) und der Regisseur meint
dazu: "It just seems that I have this
German-Expressionistic-Destructivist-Russian-Constructivist view of
the future." (S. 20 Morgan) Daher bekam der Set Dekorateur für
das Zukunftsszenario die Aufgabe, aus gefundenen Objekten der
letzten hundert Jahren die unterirdische Umgebung aufzubauen. Dazu
kauften er und seine Crew in Kaufhäusern und auf
Flohmärkten die unterschiedlichsten Gegenstände zusammen,
die verkleidet in die Dekoration eingearbeitet wurden. Die
postapokalyptische Welt ist aufgebaut aus Fragmenten der
Prä-Desaster-Zeit, aus dem Viktorianismus, den 20ern, den
50ern, den 70er Jahren. Der Production Designer Jeffrey Beecroft
meint zu der Ausstattung: "...if the world stopped today, and you
can only take things down below now, what could you find down
there? These people put all this stuff together, and then had to
kind make up things, jerry-rig machines together, so they're
hydraulic and steam-driven. In terms of laser and all that stuff,
we could have gone that way, but it's not as fun." (S. 20 Morgan)
Dadurch, daß sowohl der Zuschauer als auch der
Hauptdarsteller zu verschiedenen Zeiten immer wieder mit den
gleichen oder ähnlichen Objekten konfrontiert ist, wird die
Frage aufgeworfen, in wie weit Coles Blickwinkel, den wir im Film
einnehmen, richtig ist oder ob Cole sich seine Weltvorstellung und
Erinnerung ebenfalls aus verschiedenen gefundenen Bruchstücken
zusammenphantasiert.
Viel Plastik wurde in der Dekoration für diese Welt verwendet,
einerseits um immer wieder die paranoide Furcht vor der
tödlichen Seuche ins Bewußtsein zu rufen, aber
vielleicht auch, um die sauberen Gewissen der Wissenschaftlerelite
in ihrer selbstgeschaffenen sterilen Umgebung darzustellen. Denn
auch die Menschen in der unterirdischen Stadt passen sich ihrer
Umgebung an, sie sind "typisch gilliamesk gekleidet, umgeben von
einer Aura des Geheimnisvollen und Eingeweihten, lebende
Bestandteile eines gewaltigen artifiziellen Organismus". (12
Monkeys-FAQ) Die Wissenschaftler erinnern mehr an seelenlose
Maschinen als an Menschen, sie herrschen bürokratisch und
gefühllos über ihre Untergebenen in einer verfallenden
Welt. Sie sind vielleicht nicht minder verrückt als Cole, mit
ihrem technischen Spielzeug, ihren Tics und dem lächerlichen
Sortiment von optischen Geräten könnten sie genausogut in
eine Heilanstalt passen.
Das Zukunftsgefängnis ist wie die Wohnblöcke in
Brazil aus einzelnen Kastenelementen zusammengesetzt,
notdürftig eingerichtet, vegetieren die Menschen darin in der
von rostigem Stahl und Finsternis beherrschten Dunkelheit. Diese
zukünftige Strafvollzugsanstalt gleicht keinem heutigen
Gefängnis, vielmehr sind die Menschen wie Tiere in
Käfigen eingesperrt. Kein Wunder, beide Arten sind im Film
gleichermaßen eingesperrt und wird verantwortungslos
zum Experimentieren genutzt.
Das klaustrophobische Gefühl der Bedrängtheit wird, wie
schon gesagt, hervorgerufen durch die Verwendung von
Weitwinkelobjektiven, aber auch beim Bau der Gefängniszellen
ist schon darauf geachtet worden, daß sie eine stark
forcierte Perspektive besitzen, die zusätzlich noch ein wenig
digital nachbearbeitet wurde. Drei Reihen von je zehn 8 x 12
Fuß großen Hamsterkäfigen wurden wie
Kinderspielzeugblöcke aneinandergereiht. Die Gefangenen
schmachten in diesem Gewirr von Gittern, jeder in einer
Einzelzelle, wie in Legebatterien, ausgeliefert einem gewissenlosen
Regime und roboterhaften Wärtern.
Anders als in dem Vorgängerfilm La Jetée scheint
es keine Überwachung der Gefangenen zu geben. Warum auch? Die
Häftlinge sind auf auf das System angewiesen, gegen das sie
verstoßen haben und welches sie hier hinein gesteckt hat. Sie
sind ihren Herrschern im Grunde völlig ausgeliefert, die
Wissenschaftler wissen das womöglich und sind im Grunde
überhaupt nicht an ihren Gefangenen interessiert. Der einzige
Grund, warum sie die Delinquenten noch am Leben erhalten und sie
mit Essen und Luft versorgen, ist, die Gefangenen als Werkzeuge zu
verwenden, in dem man diese als "Freiwillige" auf Expeditionen
schickt. Die Informationen, die sie auf ihren riskanten Reisen
dabei in Erfahrung bringen, verwenden die Wissenschaftler zur
Erhaltung ihrer Macht und überlegenden Position, denn sollte
eines Tages wirklich eine Rückeroberung der Oberfläche
möglich sein, dann werden sie die gottgleichen Schöpfer
sein, die bestimmen können, wen sie alles mitnehmen
wollen.
Aber auch die anderen Räume sind Ausdruck von ständigem
Ausgeliefertsein an höhere Mächte und die Bedrohung durch
die unheilbare Krankheit, deren Eindringen die ganze Stadt
auslöschen würde. Selbst in dem kleinen Raum, wo Cole
sich eine Blutprobe abnehmen muß, wird er von seinen
Gebietern durch kleine Glasbausteine in der Wand beobachtet, die
Überwachung ist perfekt.
Es gibt einen Making-Of Film von 12 Monkeys, dieser
heißt The Hamster Factor and other tales of 12
Monkeys, allerdings konnte ich ihn nirgendwo auftreiben. James
Berardinelli schreibt in seinem Review zu diesem Film, daß
dieser seinen Namen daher hat, weil bei der Szene des Blutabnehmens
an anderer Stelle im Bild ein kleiner Hamster in einem Laufrad
rennt, ein Detail, auf das Gilliam wohl sehr viel Wert gelegt hat
und diese Szene öfters drehen mußte. Tatsächlich
findet man bei genauem Hinsehen dieses Detail, der Hamster rennt
hinter einer Milchglasscheibe in seinem Laufrad. Vielleicht ist das
kleine Nagetier nur eine Art Minenkanarienvogel, der auf eine
Quarantäneverletzung anspricht, vielleicht ist es aber auch
ein Symbol für das Ausgeliefertsein in einem ständig
drehendem Kreis, aus dem es kein Entrinnen gibt, im Gegenteil, je
stärker man sich bemüht, desto katastrophaler sind die
Folgen. Das Kreis-Motiv, welches das perfekte geschlossene System
symbolisiert, taucht immer wieder im Film auf. Ferner steht auch
das Rad als Symbol für die Zeit, die Verwendung des Hamsters
läßt somit eine Vielzahl von Deutungen zu.
Die Zusammensetzung der Aufbauten der Stadt spiegelt vielleicht das
Bedürfnis wieder, die vergangenen Errungenschaften der
Vor-Virus-Zeit zu bewahren und eine zeitliche Kontinuität zu
schaffen. Ein alter Gynäkologie-Stuhl, Zahnarzt-Werkzeug der
20er Jahre und alltägliche Gegenstände wie ein umgebauter
Staubsauger finden Verwendung. Die Zeitreisekammer ist der Raum, in
dem der Chronoporter steht. Aus den vierzehn Meter langen
Kondensatoren des Original-Kraftwerks wurde die Apparatur zur
Zeitreise gebastelt, mit unzähligen Lampen, Kränen,
Teilen von Motoren und Plastik. Dieses Hi-Tech-Zentrum stellt eine
Parallele zu den Krankenhäusern von 1996 dar, dieselben
klinischen Verhältnisse und entmenschlichte Menschen, die an
anderen Menschen herumexperimentieren, wird Cole in der Psychiatrie
mit Schrecken wiederbegegnen.
Der Raum, in dem die Verhöre stattfinden, der 'Engineering
Room', ist nicht weniger erschreckend als das Gefängnis. Der
weite, zweigeteilte Raum ist vollgestopft mit mechanischen Gebilden
wie Schreibmaschinen, Bohrern, elektrischen Anzeigen und mit
Videobildschirmen, glänzendem Plastik und irritierenden
Lichtern. Ein ganzes Sammelsurium von präapokalyptischen
Dingen bildet im hinteren Teil des Zimmers das Archiv der
zukünftigen Gesellschaft, in dem die Wissenschaftler sitzen.
"Nach dem Vorbild des berühmten Tunnelsystems unter der New
Yorker Fifth Avenue Bibliothek" (S. 13 Pressemappe) eingerichtet
sind die Karten, eingestaubten Bücher, und ein Konferenztisch
zu einer katakombenartigen Struktur angeordnet, umgeben von
unzähligen Bildern und Zeitungsausschnitten, die den Stand des
Wissens der Wissenschaftler wiederspiegeln. Gilliams Faible
für vertikale Linien zeigt sich hier, der Gefangene Cole wird
im vorderen Teil des Raumes auf eine Apparatur gesteckt, die
verdächtig an einen elektrischen Stuhl erinnert und sofort an
der Wand in die Höhe katapultiert. Den Wissenschaftlern und
ihrem grotesken Videoball ausgeliefert, wird Cole verhört und
auf seine Mission vorbereitet. Das Verhör findet somit im Raum
statt, Cole hängt an der Mitte der Wand, während unten im
Raum die Wissenschaftler an ihrem Tisch sitzen. Sie befinden sich
in der überlegenen Position, sie können nach Belieben
Cole hoch- und herunterfahren und haben ihn völlig in der
Hand, wie ein kleines Tier, das hilflos einer höheren Macht
ausgeliefert ist. Selbst vor der dritten Zeitreise, wo Cole nicht
mehr als Gefangener, sondern als begnadigter Freiwilliger seine
Mission antritt, wird er festgeschnallt auf der merkwürdigen
Konstruktion instruiert. Auch dieses Briefing ist im Grunde nichts
anderes als ein Verhör, bei dem er das auswendig gelernte
Wissen zur Zufriedenheit seiner Vorgesetzten auf Anfrage
reproduzieren muß, erst dann ist es ihm gestattet, die dritte
Reise in die Vergangenheit zu unternehmen.
Am Anfang des Films folgen wir James Cole in die verlassene
Oberwelt der Erde. Wir sehen das winterliche Philadelphia,
verschneit und ohne menschliches Leben. Die Zeit, letztlich eine
Erfindung der Menschen, scheint an diesem Ort stillzustehen, wo
Löwen und Bären die Herrscher der Welt sind. Diese jedoch
benehmen sich ganz anders als die Menschen, sie erschrecken den
einzelnen Menschen zwar, stellen jedoch keine Bedrohung für
ihn dar. Beeindruckende klassizistische Gebäude bestimmen das
Straßenbild, ein erneuter Verweis auf die Blütezeit der
Stadt und ihre historische Bedeutung im Unabhängigkeitskrieg.
Aber nicht die Menschen sind diejenigen, die jetzt alle Freiheiten
haben, sondern die Tiere können wieder ihren natürlichen
Gewohnheiten nach leben. Außer dem Kontrast zwischen den
offenen Straßen, monumentalen Gebäuden und der
drückenden Enge der unterirdischen Stadt gibt es einen klaren
farblichen Unterschied. Die Farben, die der Film zeigt, sind warme
Farben in der Unterwelt, ausschließlich Rot, Gelb und Orange
bestimmen das Bild. Hingegen dominieren auf der Oberfläche
kalte Farben, kräftiges Blau, Schneeweiß und Dunkelgrau
sind die Farben der menschenfeindlichen Umgebung, auf die Cole
trifft. Die kontaminierte Oberfläche erscheint gereinigt vom
Menschen, der in seiner selbstgeschaffenen stickigen Umgebung lebt,
die seine einzige Chance überhaupt ist, zu überleben.
Die Darstellung der Gegenwart:
Das besetzte Theater, in dem im Film Obdachlose und Verbrecher ihre
Enklave haben und Cole zwei Menschen tötet, ist das
heruntergekommene Met Theater in Philadelphia. Beim voreiligen
Betreten des Gebäudes folgen wir den beiden Protagonisten und
sehen verblüfft, wie sehr dieses dem zukünftigen Versteck
der Menschheit äußerlich ähnlich ist. Vom Eingang
führt ein kurzer Gang auf das Parkett, von dem man in den
tiefer gelegenen (damit unterirdischen) Zuschauerraum blickt.
Offene Feuer brennen dort, die Wände sind dreckig und mit
einem Flickenmuster von alten Plakaten und Graffiti bedeckt. Aus
den müllgefüllten Schatten kommt der Angriff der zwei
Männer, die Cole im Handgemenge brutal tötet. Nach diesem
Mord zieht sich die Schlinge um ihn noch weiter zu, den nun ist aus
der Entführung von Dr. Railly, die Cole jetzt schon freiwillig
folgt, eine ernste Angelegenheit geworden, die Polizei muß
von diesem Zeitpunkt an mit allen Mitteln Cole verfolgen.
Das Versteck der "12 Monkeys" ist eine besetzte Metzgerei in dem
Film. Hinter vernagelten Fenstern haben sich Goines und seine
Anhänger eine zweite Natur geschaffen, einen künstlichen
Urwald aus Topfpflanzen mit Tonbandaufnahmen von wilden Tieren. Es
ist ein vollgestopftes Archiv, das vielleicht den Gegenpol zum
'Engineering Room' in der Zukunft darstellt. Der Film suggeriert
dem Zuschauer, daß von hieraus die Zerstörung der Welt
geplant wird (was sich viel später als falsch herausstellt),
wir sehen, wie Jeffrey Goines bei seinen Ausführungen
über Wissenschaftler, die sein Gehirn durchleuchtet haben
sollen und seine Aktionen im Voraus kennen, einen Globus hochhebt
und wegschleudert. Zur gleichen Zeit flüchten Railly und Cole,
denen eigentlich an der Rettung der Welt gelegen ist, in das
"Globe"-Hotel, einem herunterkommen Motel, das nur noch von
zwielichtigen Gestalten und abgerissenen Typen bevölkert ist,
es ist eine völlig verwahrloste Umgebung, die den beiden
Helden Schutz zu bieten verspricht. Dies kann sie aber nicht
einlösen, sie wendet sich in Gestalt eines brutalen
Zuhälters gegen sie und liefert sie wieder dem
äußeren System aus, das sie gnadenlos verfolgt.
Ein weiteres Gebäude, das kurz in 12 Monkeys auftaucht,
ist das Vorlesungsgebäude, wo Railly 1996 einen Vortrag
hält und anschließend von Cole gekidnappt wird. Es ist
die für die Weltausstellung 1876 in Philadelphia gebaute
Memorial Hall, ebenfalls im neoklassizistischen Stil errichtet.
Parallelen zwischen den Zeitebenen:
Obwohl es keine konkrete Übereinstimmung zwischen der
psychiatrischen Klinik und der unterirdischen Stadt gibt, gibt es
eine Vielzahl von Parallelen zwischen den beiden Zeiten. Die
geschlossene Anstalt, in der sich James Cole 1990 wiederfindet, ist
in Wirklichkeit das Eastern State Zuchthaus, das um 1820 gebaut
wurde und in dem ein gewisser Al "Scarface" Capone einsaß. Es
mußte für den Film zunächst einmal renoviert werden
und schließlich so hergerichtet werden, daß es
heruntergekommen und "lived-in" aussieht. Zentrales
Architekturmerkmal ist der gewaltige Tagesraum, von dieser Rotunde
gehen 7 gleiche, labyrinthähnliche Zellenblocks ab. Die
Wände haben praktisch keine Verzierungen, sie sind
gleichmäßig weiß gestrichen. Auffällig ist,
daß die meisten Gegenstände wie die Objekte, die auf dem
Tisch bei der Interview-/Verhörsituation zu sehen sind (Kekse,
Keksdose, Kanne usw.), und die architektonischen Elemente in der
Irrenanstalt rund sind. Die Architektur besteht desweiteren aus
runden Deckenlampen, die Gänge sind gewölbeartig mit
Rundbögen versehen, es gibt hauptsächlich runde Tische,
selbst die Betten sind in einem Kreis angeordnet.
So verweist Gilliam immer wieder mit der Verwendung von runden
Dingen, Kreisen und ringförmigen Anordnungen das zentrale
Motiv des Films. Denn gerade in der Verbindung der
kreisförmigen Formen mit den allgegenwärtigen Gittern und
käfigartigen Behältnissen (die Türen, der
Spieleschrank, die Fernseherumfassung) zeigt, daß es
überall geschlossene Systeme gibt, aus denen kein Ausbrechen
möglich ist. Dadurch, daß sich die geschlossene Anstalt
mit weiteren Bildern als Äquivalent der zukünftigen Stadt
zeigt (z. B. erinnert der Scannerraum an die Zeitreisemaschine, die
vielen Parallelen des Verhörs 2035 und der Befragung durch die
Ärzte), wird deutlich gemacht, daß auch eben die Zeit im
Film einen Kreis eines geschlossenen Systems bildet, aus dem kein
Ausbrechen möglich sein kann.
Die Straßenszenen wurden in Philadelphia gedreht. Die
Menschen auf den Straßen der Gegenwart sehen nicht anders aus
als die Zeitgenossen James Coles. Sie sind schmutzig und sehen
blaß und grau aus. Sie erscheinen ungesund, als ob sie nicht
oft in die Sonne kämen, tatsächlich zeigt der Film wenig
sonnige Plätze, meistens bringt er schattige und neblige Orte.
Wie in der Zukunft sind es rohe und primitive Bauwerke, die aus
verschiedenen Teilen zusammengesetzt erscheinen, außerdem
wird oft gebaut oder offene Feuer gezeigt, Rauch und Nebel
durchziehen die Bilder. Die Aufnahmen der Straßenszenen
spielen oft unter Brücken oder
Autobahnüberführungen, eine freie und offene
Atmosphäre fehlt völlig. Die Menschen sind genauso beengt
in ihrer Umgebung wie in der Zukunft, die Bauten sind rostig und
heruntergekommen, die Wirkung ist trotz der Freiheit dieselbe wie
in dem unterirdischem Refugium der Menschheit im Jahr 2035.
Cole hat in der Zukunft in der oberirdischen Stadt ein
beindruckendes klassizistisches Gebäude gesehen, diesem steht
er im Jahr 1996 erneut gegenüber. Wieder sind es die
hervorstechenden vertikalen Linien, die aufstrebende Architektur,
die seinen Blick und den der Kamera an der Fassade hochfahren
lassen. War in der Zukunft das Bauwerk von einem umherstreifenden
Löwen gekrönt, der furchterregend brüllte, so hat
Cole gerade diese Vision gegen Ende des Films bei seiner Flucht vor
der Polizei noch einmal. Er stolpert zurück, als er sich
umdreht, schaut er in ein Schaufenster, in dem sich eine
aufgerichtete Bärendekoration befindet. Er sieht ihn und zuckt
unwillkürlich zusammen, denn bei seinen ersten Ausflug auf die
Erdoberfläche stand er ebenfalls einem aufgerichteten
Braunbären gegenüber. Die plötzliche Angst, die er
bei dem erneuten Durchleben empfindet, ist eine Warnung vor dem
nahendem Tod, wenn er weiter versucht, aus der Zeit auszubrechen.
Denn gerade in dem Moment versucht Railly zu überprüfen,
ob nicht doch die Prophezeiungen eine Einbildung Coles sind. Doch
dieser Versuch, sich selbst zu täuschen und das Schicksal
auszutricksen, schlägt fehl.
Dann gibt es noch das Kaufhaus. Es soll die Philadelphias Ridgeway
Bibliothek sein, ein einstmals majestätisches Gebäude in
einem neo-griechischen Stil, das nun bedeckt mit Dreck und Graffiti
ist. Cole betritt es auf seiner Suche nach untersuchbaren Tieren
bei seiner Oberflächenexpedition 2035. Es wird wie eine Kirche
eingeführt, im Hintergrund hört man Choräle
während Coles Taschenlampe nach und nach den Raum erkundet.
Der Blick fällt mal auf Weihnachtsdekoration, auf einen Engel,
einen Weihnachtsbaum, und mal auf ausliegende Waren, Turnschuhe,
Tennisschläger, Hawaihemden. Cole stolpert einen Moment und
schreckt dabei einen Schwarm Vögel auf, die zur
durchlässigen Decke fliegen; der sehr weite und hohe Charakter
des Raumes zeigt sich dabei. Dadurch, daß man sehr wenig von
dem Gebäude sieht, das meiste bleibt ja im Schatten, ist man
sich zunächst einmal nicht bewußt, um was für ein
Bauwerk es sich handelt.
Später, als Cole auf der gemeinsamen Flucht mit Railly von
einem Déjà-vu-Erlebnis ins andere stolpert, findet er
sich in diesem Haus wieder. Während Railly ihm seine
Verkleidung kauft, erkennt er den Ort wieder, er bekommt sogar eine
Vision von der Ruine, in der die Vögel herumflattern. Der
übergroße goldene Engel, die geschmückte Tanne, all
das verbindet sich mit einem Mal zu einem einzigen Eindruck,
nämlich daß ihre Bemühungen, aus dem geschlossenem
System Zeit auszubrechen, keinen Erfolg haben werden. Während
Railly eines von den Hawaihemden nimmt, die Cole früher einmal
in der Zukunft gesehen hat, und sich nach Perücken erkundigt,
muß Cole resigniert feststellen, wie seine verrückten
Erinnerungen und Visionen immer mehr konkret Gestalt annehmen.
Nach dem Artikel von Stephen Pizzelo im "American Cinematographer"
wurde das neue Messezenter in Philadelphia zum Flughafen
umdekoriert, in dem die Traum-/Erinnerungssequenzen und das ganze
Ende gedreht wurden. In der Pressemappe (S. 13) heißt es
allerdings, daß Gilliam hierfür "einen Tag auf dem
Rollfeld des Baltimore-Washington International Flughafen" drehte.
Wo nun wirklich gedreht wurde, kann ich nicht beurteilen.
Der große, freie Raum des Flughafens verspricht sowohl die
Freiheit als auch den Mord. Der Flughafen ist der Ort des Reisens
und der Möglichkeiten, aber wie auch der Traum schon
verrät, ein Ort, der praktisch transitorisch außerhalb
von Zeit und vor allem Raum das Ende ist. Durch die riesige
Reichweite der Flugzeuge ist die Welt zu einem Dorf geworden, jeder
Ort ist gleichermaßen erreichbar, die Entfernungen scheinen
aufgelöst. Und auch durch die Zeitverschiebung während
dem Fliegen mit hoher Geschwindigkeit findet eine Auflösung
statt, eine Auflösung der Zeit. Man kann Kontinente wechseln,
und doch früher am Tag ankommen, als man abgeflogen ist (mit
der Concord von Europa nach New York zum Beispiel).
Doch der Flughafen ist nicht nur eine Verheißung der
Freiheit. Mit seiner Vielzahl von Überwachungs- und
Sicherheitsanlagen bildet er in sich wieder ein geschlossenes
System, das tödlich sein kann.
Er präsentiert sich im Film durch sehr unwirkliche Bilder. Die
weite und hohe Halle bildet eine Welt für sich, sie grenzt
sich mit ihrem leuchtenden, verschwommen Aussehen von der harten
Realität ab, der krasse Unterschied zwischen außen und
innen sieht man ganz deutlich, wenn die Kamera parallel zu den
beiden Flüchtenden von draußen nach drinnen fährt.
Im offenen Raum des Flughafens scheint es eine eigene
Atmosphäre zu geben, man meint, daß es Nebel in der
Tiefe des Raumes gibt, dieser und das weich schimmernde Blau lassen
den Ort phantastisch, illusorisch, aber auch trügerisch und
irreal anmuten.
Für Cole und Railly bietet der Flughafen ein Ziel und
gleichsam eine Zwischenstation auf ihrer Flucht vor ihrer
Verfolgung vor der zeitgenössischen Polizei. Cole scheint
außerdem seinen déjà-vu-Wahnphantasien
entkommen, die ihn in den Straßen Philadelphias verfolgten.
Die Nachricht von der Tierbefreiungsaktion durch die "12 Monkeys"
hat die Hoffnung geweckt, daß es doch keine Apokalypse geben
wird und Cole sich geirrt hat. Jedoch erreicht er plötzlich
beim Eintritt in die Eingangshalle die Gewißheit, an diesem
Ort schon einmal gewesen zu sein, und zwar als kleiner Junge, kurz
bevor das große Sterben anfing. Obwohl ihm und dem Zuschauer
schon seit seiner Verkleidung klar sein müßte, daß
hier seine Sterbesequenz stattfinden wird, bemüht er sich
weiterhin, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Obwohl er
keine Veranlassung dazu hat, meldet er sich sogar noch einmal per
voice-mail in der Zukunft, um seine Entscheidung mitzuteilen und
den Irrtum mit den "12 Monkeys" aufzuklären.
Um dabei zu den Telefonen zu kommen, fährt er eine Rolltreppe
hinauf, während seiner Diskussion mit José fährt
er sie wieder runter, um unten seine Befehle und die Waffe
anzunehmen und sich wieder mit Railly zu treffen. Sie symbolisiert
somit seinen Versuch, aus seinem Leben auszubrechen und ein neues
zu beginnen, doch er wird von dem diktatorischen Zukunftssystem,
verkörpert durch José, wieder nach unten auf den Boden
gedrängt. Daß es sich um eine mechanische,
selbständige Rolltreppe handelt, zeigt noch deutlicher,
daß es unmöglich für einen Einzelnen ist, sich
gegen ein funktionierendes geschlossenes System zu stellen. Als
Railly ihn unten hastig abholt und ihm von Dr. Goines Assistenten
erzählt, hat er praktisch sein Scheitern akzeptiert. Gesucht
von der Polizei, mit einem Revolver auf dem Flughafen,
läßt er sich von Railly zur Verfolgung des
Virusverbreiters drängen. Dieser letzte und entschlossene
Versuch, sein Schicksal und die Geschichte selbst zu
verändern, endet tödlich für ihn. Sein Tod
schließt die geöffnete Zeitschleife und bildet den
Ausgangspunkt für eine Wiederholung, eine Art
Wiedergeburt.
Der Flughafen hat nämlich auch etwas Sakrales, er drückt
in seiner ganzen Substanz eine gewisse Erhabenheit aus. Die
Rolltreppen, die Flugzeuge, symbolisieren eine Verbindung zu etwas
höherem, zum Himmel. Kein Wunder, denn James Cole ist eine
typische Jesus-Christus-Figur Hollywoods. Seine Initialen sind
ebenfalls J.C. und auch Cole ist dazu bestimmt zu sterben, um durch
die Erfüllung seines Schicksals die Menschen in seiner Zeit zu
erretten. Er sieht ein, daß er nur Aufgaben erfüllen
kann und keine Selbstverwirklichung gestattet ist. Er ist durch die
Generalamnestie ohne Sünde, und sein Tod wird ebenfalls von
einem Judas (José) verursacht.
Weitere Deutungen
Meine weiteren Gedanken:
Die Schauspieler sind immer auf engstem Raum zusammen. Sie sind
für sich oder gemeinsam in abgeschlossenen Systemen. Cole ist
am Anfang in seiner Zelle im Kastengefängnis und wird in einen
futuristischen Anzug eingeschweißt, um seine
Erkundungsmission zu unternehmen. Danach wird er an den
Verhörstuhl gefesselt und wie Zahnpasta durch die Dimensionen
geschickt und findet sich gleich darauf wieder in einer Zelle und
dann in einer geschlossenen Anstalt wieder. Später sind er und
Railly fast immer in einem kleinen Raum eingesperrt, im Auto, im
Motel, in den Häusern, in die sie auf ihrer Suche nach den 12
Monkeys hineinstolpern.
Cole durchbricht diese Gefangenschaft erst, als er Railly auf
seiner dritten Zeitreise wiederbegegnet, im Freien, aber auch in
einer Masse von Passanten. Die folgende Flucht vor der Polizei hat
Parallelen zu Brazil, sie hetzen durch Warenhäuser und
enden schließlich in einem Kino, in dem ein Hitchcock-Special
läuft, und verkleiden sich hier.
Daß der Film in den beiden Städten Baltimore und
Philadelphia spielt, ist sicherlich kein Zufall. Wie schon
erwähnt, hatten beide Orte zentrale Bedeutung in der
Unabhängigkeitsbewegung der amerikanischen Kolonien im 18.
Jahrhundert, die Ausarbeitung und Verabschiedung der
Unabhängigkeitserklärung und der amerikanischen
Verfassung geschah in diesen Städten. Meiner Meinung nach
zeigt Gilliam in der Diskrepanz zwischen dieser glorreichen
Vergangenheit und der scheinbar trostlosen Gegenwart (der Film
spielt ja hauptsächlich in häßlichen und
heruntergekommenen Gegenden), wie die Zeit jede Bestrebung nach
Selbstverwirklichung wieder einholt und begräbt. Die
Bestrebungen nach Selbstbestimmung der 13 Kolonien war ja auch ein
Aufbegehren gegen ein absolutistisches und geschlossenes System,
dem britischen Kolonialreich.
Bei der Frage nach der Möglichkeit der Veränderung der
Geschichte und ob sich etwas nach Coles Einsatz geändert hat,
könnte man vermuten, daß Cole durch seine Anwesenheit in
der Vergangenheit, Interferenzen auslöst, die den Verlauf der
Geschichte tatsächlich verändern. Er bringt die
Ereignisse zwischen dem Startpunkt 1990 und dem Endpunkt im Jahre
2035 wie eine Saite zum Schwingen, ohne jedoch am Anfangs- oder
Endzustand der Ereigniskette etwas ändern zu können, was
also heißt, daß das Virus auf jeden Fall freigesetzt
wird, in diesem Fall ist es jedoch Goines, der das Virus verbreitet
und nicht der Assistent von Goines' Vater. Diese kleine
Änderung erscheint auch in Coles Träumen, die jedoch
schon im nächsten Traum wieder verschwunden und verändert
ist. Dies macht auf subtile Art und Weise klar, daß Cole
letztendlich gar keinen Einfluß auf seine Gegenwart hat, alle
Schritte, die er noch so energisch in der Vergangenheit unternimmt,
führen geradewegs zu der Vergangenheit und der Gegenwart, die
ihm bekannt ist. Der Film postuliert in diesem Moment eine lineare
Zeitlinie, die nicht gebogen werden kann.
Das Motiv der Spiegel und Kameras:
Ein Motiv, daß mir aufgefallen ist, sind Spiegel, Linsen und
Kameras im Film, von denen James Cole und Kathryn Railly umgeben zu
sein scheinen. Spiegel sind im allgemeinen ein Symbol für den
Tod oder Selbsterkenntnis, sie bedeuten die Spaltung von Seele und
Körper. Weitere Funktionen von Spiegeleffekten im Film sind
Zeigen oder Hervorrufen von Desorientierung, Ambivalenz und
Mystifizierung. Auch das "Gespräch" mit der unheimlichen
Stimme, die Cole verfolgt und ihn an seiner Identität zweifeln
läßt, findet auf der Flughafentoilette vor einem
großen Spiegel statt, den er eigentlich dazu benutzt, um
seine falsche Identität wiederherzustellen, nämlich um
seinen aufgeklebten Bart wieder zu befestigen.
Die Linsen und Kameras haben vermutlich einen ähnlichen Zweck,
sie stellen die ständige Bedrohung und die panoptische
Überwachung dar. Sie sind auch oft dann im Bild, wenn Zweifeln
an dem Weltbild der Protagonisten aufkommen, so ist eine
große Lupe im Vordergrund als Dr. Railly die Photographie
Coles im Jahr 1917 entdeckt, dies bringt ihre ganze Weltvorstellung
durcheinander, sie beginnt ihren Glauben zu verlieren.
Als Railly in der Hoffnung, daß alles wieder irgendwie gut
wird, gegen Ende des Films auf der Flucht mit Cole die
Telefonnummer ausprobiert, die die Verbindung zu den
Wissenschaftlern im Jahr 2035 aufnehmen soll, hört sie nur
einen Anrufbeantworter einer Teppichreinigungsfirma. Sie glaubt,
daß Coles Wahnvorstellungen damit nur sein Hirngespinst sind
und hinterläßt freudig eine sinnlose Nachricht über
die "12 Monkeys". Doch als sie diese anfängt Cole zu
berichten, kann er ihre Meldung wortwörtlich wiederholen, weil
er sie schon einmal in der Zukunft vorgespielt bekam.
Plötzlich taucht ein Polizeiwagen auf, die beiden drehen sich
weg und merken, daß sie direkt vor einer Videowand stehen,
die die Passanten auf der Straße, in dem Moment also sie,
filmt und groß zeigt. Damit wird wieder deutlich, daß
sie ihrer Verfolgung trotz all ihrer Anstrengungen nicht entkommen
können, und das jeder Versuch ihre Situation schlimmer macht.
Die Verweise zu den Florida Keys:
Terry Gilliam hat als Inspirationsquelle für Brazil ein
Erlebnis angegeben, wie er einmal einen schwarzen Strand mit einem
gitarrespielenden Mann gesehen hat. Dieses starke visuelle Bild war
Auslöser für seine Zukunftsvision von einer orwellschen
Gesellschaft. Das Bild selbst taucht in dem Film überhaupt
nicht auf, vielleicht hat er deshalb versucht in 12
Monkeys,das meiner Meinung nach eine Weiterentwicklung von
diesem Film ist, es in Form der ständigen Verweise auf die
Florida Keys einzubauen.
Ich denke, daß Gilliam damit sagen will, daß die
Omnipräsenz der Werbung zu dem Punkt führen kann, an dem
jemand an einem Strand liegt und es für ihn nicht mehr
nachvollziehbar ist, ob er dort wirklich liegt und es ihm gut geht
oder ob die Werbung es ihm nur suggeriert und er es sich vorstellt.
Dasselbe Problem findet sich bei Coles Zeitreisen, bei denen auch
nicht klar ist, ober sie wirklich unternimmt oder ob sich alles nur
in seinem Kopf abspielt. Die Melodie, die im Hintergrund von der
Werbung läuft, ist "Sleepwalk" von B. J. Cole, die
Übereinstimmung der Namen ist ein weiteres Indiz für
diese Deutungsmöglichkeit.
Psychoanalytisch betrachtet, könnte man dieses Paradies, das
einem immer wieder vorgegaukelt wird, die Wellen, der Strand und
das Meer als Wunsch nach totaler Realitätsflucht
interpretieren. Der kindliche Wunsch nach Verschmelzung mit der
Mutter und Einssein mit der Welt taucht hier auf, dies ist ein
unerreichbares Ziel, das zum Erwachsenwerden überwunden werden
muß. Somit kann es nur fatal sein, wenn Cole und Railly ihrem
Verlangen nachgeben, in diese infantile und zeitlose Traumwelt zu
fliehen.
Parallelen zu Brazils Thema:
Das Neue an 12 Monkeys ist die Zeit als Gefängnis. Aber
Gilliam zeigt in dem Film außerdem ein geschlossenes
politisches System, die Diktatur der Wissenschaftler in der
Zukunft. Sie weist viele Parallelen zu dem Staat in Brazil
auf, in beiden Fällen wird eine bürokratische
Beherrschung über die Subjekte ausgeübt.
Schwergepanzerte, maschinenhafte Soldaten bilden die Exekutive in
den beiden Filmen. 12 Monkeys zeigt am Rande die
entmenschlichten Untergebenen der Diktatur, die teilweise
maskiert ihre undurchsichtigen Arbeiten ausführen.
Die seelenlosen Wissenschaftler, die emotionslos von dem Schicksal
ihrer "Freiwilligen" sprechen, haben genausowenig Mitgefühl
wie die pflichtbewußten Folterer und Abteilungsleiter in
Brazil. Und doch wirft Gilliam die Frage auf, in wie weit
die Menschen in der Zukunft quasi gezwungen sind, so zu leben. Er
sagt zu seiner Zukunftsvision: "...12 Monkeys zeigt eine
Welt, in der die Menschen unter der Erde leben. Ohne Sonnenlicht,
ohne Frischluft und in ständiger Furcht vor einem
tödlichen Virus. Um unter diesen Extrembedingungen
überleben zu können, ist eine äußerst
disziplinierte autoritäre Gesellschaftsordnung notwendig. Das
ist nicht meine Vision von der Zukunft, sondern nur der Versuch zu
zeigen, wie Menschen unter solchen Umständen leben
müßten." (S. 78 Blau) Die Diktatur in Brazil
hingegen scheint sich nur zum Selbstzweck zu erhalten. Gilliam
bietet als eine Alternative für diese Gesellschaft immerhin
die Befreiungsbewegung der Terroristen an.
Aber auch die Wissenschaftleroligarchie versucht mit allen Mitteln
ihre Herrschaft zu sichern und betreibt eine unnachgiebige
Verfolgung von Menschen, die sich nicht anpassen wollen. Als Cole
seine Wahl trifft, seine Zähne und damit die
allgegenwärtige Überwachung des totalitären Regimes
zu zerstören und im Jahr 1996 bleiben will, läßt
dies das System nicht zu. Andere Zeitreisende tauchen auf, sowohl um
seine erfolgreiche Mission zu beenden, als auch ihn zur Räson
zu bringen, daß er sich an Befehle zu halten hat. Cole merkt
auch, daß es gar nicht mehr um den Virus geht, sondern nur
noch um das Einhalten der Anordnungen und Regeln. Das geschlossene
politische System herrscht auch über die Zeit und hat damit
die absolute Kontrolle über seine Untertanen, ein Ausbrechen
aus dem System ist überhaupt nicht möglich.
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